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Jenaische Zeitung, 7.3.1913 Skizzen aus der Landeshauptstadt. […] Von Albin Egger-Lienz. „Malerei ist eine Zaubertafel, so groß wie die Welt“, hat Herder einmal gesagt. Und eine Welt, schwerwuchtig, schroff und bedrückend, aus lastender Erde geschaffen, vom Hauch des Geistes eben nur so weit berührt, um sich selbsterhaltungsgemäß zu bewegen – das ist der erste Eindruck von dem Kunst- und Lebensabschnitt, den Albin Egger-Lienz vor uns auf die Zaubertafel niedergelegt hat. Da steht man vor dem eigentümlichen Baugerüst, in das die Typen der Lebensalter eingefügt sind, beugt sich vor dem großen Wollen und Können, der Einfachheit und Naturwahrheit – und hat ein Gefühl der Trostlosigkeit, das nicht weichen will. Der Besitzer der furchtbar ernsten großen Augen, wie sie das Selbstbildnis des Künstlers zeigt, sagt zu allem, was diese schauen: Dein Bild ist in meinen Pupillen, und demgemäß gewinnen die Dinge Gestalt. Diese von Luft und Sonne fast kupferbraun gebrannten Kraftmenschen – nur die verbrauchte Frau hat eine müde Bleifarbe – dumpfen dahin – vom Knaben, der den Hammer lässig faßt, zum grobknochigen, jungen Kerl, dessen Kraft das schwere, runde Balkenholz packt –, über das Mannesalter und die Nebeneinandergespanntheit in der Ehe weg – bis zum jammervoll zusammensinkenden Alten. Kein Seelenschimmer, keine Entwickelung, kein Fortschritt; nicht das allergeringste von dem in das Bild hineingeschmeichelt, was unser mitmenschliches Harmoniebedürfnis auch in dem allerprimitivsten Dasein als glimmenden göttlichen Funken voraussetzen möchte. Und wir müssens dem Schöpfer dieser Gestalten glauben; der weiß und sah, was er malte. – Ein Triptychon heißt „Erde“. Rechts säet, links pflügt einer jener braunen, schwer sich mühenden Männer im Hochgebirge. Das große Mittelbild zeigt nur erdig-dunklen, steil abfallenden Ackerboden, auf der Höhe winzige, blockhausartige Heustadel. Welch eine Arbeit hier ums arme tägliche Brot in kaltem Licht auf einsamkeitstoter Höhe! – Mitunter fängt der schwerdumpfige Menschenschlag, von Not und Empörung gestachelt, Feuer. Dann drängt und trollt er, armes, krummes Gesindel, tief erbittert und blindlings, vorwärts. So im „Totentanz von Anno Neun“, wo der knochenklappernde Tod den Vordermann in kameradschaftlicher Umarmung dem unsichtbaren Feinde entgegenzerrt. – Eine wirkliche heiße Volksbegeisterung zeigt das Haspinger-Bild. Der stürmende Kapuziner scheint fast aus der Leinwand heraus, in den Saal hinein, zu brechen mit seiner erregten Schar; hier stürzt einer offenen Mundes daher, dort starren verkniffene Lippen, Arbeitshände, der Waffen ungewohnt, umkrallen ungeschickt die alte Flinte; eine Menschen-Lawine hat sich geballt, die alles vernichten möchte. Ganz eigentümlich wirkt die große Tafel „Teufel und Säemann“. Sie schlägt eine neue Tonart an, ist freier in der Stellung der Gestalten, nicht so lastend in der Farbe. Das Wort der Schrift „das hat der böse Feind getan“ rauscht aus den Bibelblättern auf. Die großen, furchtbar ernsten Augen haben gesehen, wie sich im Leben Gutes und Böses seltsam mischt zu bitterer Ueberraschung. Und daraus ist vor ihnen der eifrige, versonnene Säemann erstanden, dem der Böse gleich eifrig säend, aber mit viel gewandterer Geste auf den Fersen folgt, leise von innen in rötlichem Feuer erglühend. „König Etzels Einzug zu seiner Hochzeit mit Krienhild [sic]“ (für das Wiener Rathaus gemalt) zeigt Egger-Lienz als hieratischen Stilisierer. Die märchenhaften schwarzen Rosse, fast nur Silhouetten, deren Beine manche Leute kopfschüttelnd zählen, bewegen sich mit ihren Reitern in feierlichem Zuge dem Burgtor, den harrenden Frauen entgegen. Ein grauenhafter Etzel, hoch winzig, tierisch, eine schauderhafte gelbe Gefahr, reitet neben der stillen, hohen Frau. Tritt den beiden in der Gestalt, welcher der schwarze Flor um die Hüften gleitet, „Atli’s Mutter, die Heillose“, wie das alte Lied sagt, entgegen, folgt ihr Herika, die Entthronte, mit dem strömenden, rosenroten Haar? Dann die mit dem richtigen Goldkopf, jene Nachtschwarze in der Halbwendung, endlich die feierlich Gleitende, mit der der kleine Zug der Begrüßenden scharf abschneidet – alles überschlanke, rätselvolle Traumgestalten, doch in Gold und Farbenfreude. Und wieder „ist die Malerei eine Zaubertafel….“
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1913