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- Jenaische Zeitung :...
- 239. Jahrgang
- Juli
- Nr. 163 : Sonntag, ...
- Kunst-Ausstellung
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Jenaer Kunstverein (DR), (DKR), (WR), (NSD/NS), (DDR), (BRD), (20.12.1903 - 1937; XX.02.1990 -)
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2. Blatt
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Der Mahnung, sich mit der lebenden Kunst zu beschäftigen, die auch Herr Dr. Grisebach in seinem ausgezeichneten Vortrage bei Eröffnung der neuen Ausstellung eindringlich wiederholte, ist über alles Erwarten gefolgt worden. Die beste Art, sich mit Kunst zu beschäftigen, nämlich sie zu kaufen, ist in so ausgiebiger Weise geübt worden, wie wohl kaum jemals seit Bestehen der Ausstellungen. Der Besuch hat sich in ungeahnter Weise gesteigert, und endlich, eine Auszeichnung, die, so lange uns die Schicksale von Kunstwerken bekannt sind, noch niemals Unbedeutenden und Schwachen, sondern stets nur Lebensstarken und Vorwärtsweisenden zuteil geworden ist, die Ehre der Beschimpfung ist auch nicht ausgeblieben. Künstler und Kunstverein haben allen Grund, mit dem großen Erfolge zufrieden zu sein. Der erste Eindruck, den die jetzige Ausstellung macht, ist der einer neuen, festlichen, gesunden Lebensfreude: in kräftigen und harmonischen Farben leuchten die Bilder von den Wänden. Voran stehen die Werke von Kuno Amiet. Dank den belehrenden Ausführungen von Dr. Grisebach und den dem Verzeichnis beigefügten Jahreszahlen können wir uns ein Bild von der Entwicklung dieses bedeutenden Malers machen, von dem bisher nur einmal ein kleines Bildchen in Jena (mit den Bildern der „Brücke“ zusammen) ausgestellt war. Wie er durch den Impressionismus einerseits, durch Hodler anderseits beeinflußt, allmählich zum Aufbau eines eigenen malerischen Stiles gekommen ist, in dem die Farbe die führende Rolle hat, das wurde von Dr. Grisebach anschaulich geschildert. Von der Beeinflussung durch Hodler ist ein Beispiel vorhanden, das Doppelportrait (der Maler selbst und seine Gattin) aus dem Jahre 1903. Es ist eine vortreffliche Leistung, aber sie zeigt, wie mir scheint, zugleich, daß die Bahnen Hodlers für Amiet’s Begabung nicht auf die Dauer gangbar waren. Viel stärker ist die Wirkung des frühesten der ausgestellten Gemälde, der Wäscherinnen vom Jahre 1893. Hier ist eigentlich das ganze Programm des Malers schon im Wesentlichen aufgestellt: rhythmischer Aufbau der Massen, einheitlicher Farbenakkord. Unter den Bildern der letzten Jahre ist eine solche Fülle wundervoller reifer und bedeutender Kunstwerke, daß man fast jedes Bild einzeln besprechen möchte. Da sind zunächst einige Landschaften und Stilleben, an denen offenbar der malerische Stil des Künstlers gereift ist. Hervorheben möchte ich die „Winterlandschaft I“, Nr. 9 aus dem Jahre 1907 und die Landschaft mit der roten Wolke Nr. 17 von 1909. Von den Stilleben möchte ich Nr. 14, die Chrysanthemen und Apfel von 1909, als ganz hervorragend erwähnen. Aber die Entwicklung des letzten Jahres scheint alles hinter sich zu lassen, was der Künstler bisher geschaffen: der Mädchenakt mit Blume in seiner einfachen Harmonie von gelb mit grün und der fein angebrachten roten Note möchte ein fast klassisches Bild sein. Oder sollen wir den Drei Akten Nr. 5 den Preis geben in ihrer geschlossenen Gruppierung der Figuren über der Wanne und dem herrlichen Klang von grün und violett? Vortrefflich sind auch die Frauen und Kinder Nr. 20, während mir die Aufgabe bei Nr. 7 „Im Schlafzimmer“ noch nicht ganz so vollkommen bewältigt scheint. Der Künstler ist aber auch auf dieser Stufe nicht stehen geblieben, sondern hat sich auch bereits einer noch neueren Phase zugewandt, die irgendwo mit den Bestrebungen der allerneuesten Kunst, wie sie die Ausstellung der neuen Münchener Vereinigung uns gezeigt hat, zusammenhängt. Eine Landschaft, die das sehen läßt, stammt schon aus dem vorigen Jahre, es ist Nr. 15 „Sonne im Garten“ ein Bild, das einen wirklichen Höhepunkt bezeichnet in der Bezwingung der Farbenmassen zur Bildeinheit, in der Bewältigung einer reich abgestuften Farbenskala zu vollkommener Harmonie, in Pracht und Leuchtkraft der Töne. Aber das Hauptwerk ist die große „Obsternte“. Hier erst nimmt der Maler ganz entschieden die Wendung zu einem neuen monumentalen Stile vor. Zwei Skizzen zeugen von der langen und ernsten Arbeit, die dahinter steht. Es bedarf längeren Einlebens in ein so beträchtliches Werk, ehe man wagen dürfte, ein Urteil zu fällen. Ueberdies macht der Einblick in die innere Werkstatt des Schaffenden, so belehrend sie ist, auf der anderen Seite die Stellungnahme zu der ausgeführten Fassung besonders schwer. Ich möchte daher nur mit der größten Zurückhaltung bekennen, daß die kleine Oelskizze sich zwar von des Künstlers früherer Art, ja auch von den uns gewohnten Kunstweisen weiter entfernt, aber in dem klaren Farbenzweiklang von blau und rot, in der strengeren Stilisierung von Landschaft und Figuren, die fast an altchristliche Mosaikkunst streift, einen neuen Weg reiner und eindeutig erkennen läßt, während das große Bild vielleicht etwas den Charakter einer Uebergangszeit an sich trägt. Das große Bild mit den beiden Tänzerinnen wirkt in dem kleinen Raum der Kunstausstellung nicht so, daß man darüber urteilen dürfte. In Auguste Macke lernen wir einen jüngeren Künstler von großer Begabung kennen. Man erkennt in seinen Werken eine starke Hinneigung zu der neuesten Entwicklung der Kunst in Europa, aber wie es scheint, steht ihm der große norwegische Maler Edvard Munch, von dem wir bald eine Ausstellung hierher bekommen werden, näher, als die romanischen und slawischen Künstler. Macke scheint noch in der Entwicklung begriffen zu sein: die großen Bilder sind noch etwas ungleich, während die kleinen Aquarellen und Gouachebilder alle vortrefflich und von größtem Zauber sind. Das schönste ist vielleicht Nr. 38 Dorfhäuser. Das denkbar schlichteste und sprödeste Motiv durch die Kraft der Anschauung zum eindrucksvollsten Bilde gestaltet. Hier vor allem lebt etwas vom Geiste Munch’s. Von diesen mit noch so bescheidenen Preisen ausgezeichneten Bildchen sollte man eigentlich keines wieder aus Jena hinauslassen. „Stadt“, „Gestürzt“, „Liebespaar im Walde“, „Wagen und Pferde“, alles ist vortrefflich. Von den größeren Bildern ist der Akt Nr. 29 sehr geschlossen in dem Aufbau und groß und einfach gesehen. Sehr gut ist Nr. 30 „Die Frau im blauen Kleid“, auch dieses Munch verwandt. Nr. 34 Die Häuser im Grünen sind vielleicht um ein weniges zu freundlich, dagegen sehr fein „Die Frau im Garten“ Nr. 32, ausgezeichnet Nr. 35 und 36 „Die Kinder im Garten“ und „Der Garten mit rotem Haus“. Hier überall hebt sich aus der Unruhe neuerer Bewegungen eine neue ruhige Bildwirkung, getragen von eigenem Naturgefühl zukunftssicher und harmonisch heraus. B. Graef.
- rubric
- Kunstverein/Ausstellung im Kunstverein / Kunstausstellung
- Rubriken Kunst
- 7. Juli-18. August: Cuno Amiet, August Macke; 1912; 1912