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- Zeitsprünge : Forsc...
- Jahrgang 26
- Heft 3-4
- Politics of Imagina...
- Autor(in)
- Erschienen
- 15. September 2022
- ISSN
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E-ISSN: 2751-515X
P-ISSN: 1431-7451
- DOI
- Seitenbereich
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433-465
- Zusammenfsg.
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Während Marcel Duchamps, Joseph Beuys’ oder Andy Warhols künstlerische Auseinandersetzungen mit und Aneignungen von Leonardo da Vinci seit langem Bestandteil des kunsthistorischen Narrativs sind, ist wenig bekannt, dass Leonardos Œuvre in der Tschechoslowakei der Nachkriegszeit intensiv rezipiert und künstlerisch verarbeitet wurde. Vor allem in der sogenannten nicht-konformen Kunstszene der 1950er, 1960er und 1970er Jahre gab es eine komplexe, oft multimediale Auseinandersetzung mit Leonardo, die sich insbesondere in der bildenden Kunst, Literatur und Poesie sowie im Experimentalfilm zeigte. In meinem Artikel werde ich diesem noch unerforschten Phänomen von Leonardos überraschender Präsenz in Prag nachgehen und untersuchen, welches Bild des Renaissancekünstlers von tschechischen Künstlern und Schriftstellern wie Vladimír Boudník, Bohumil Hrabal oder Jan Švankmajer überliefert und zugleich dekonstruiert wurde. Um diesen Themenkomplex näher auszuloten, ist es unabdingbar, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Warum spielte das Verhältnis von Imagination, ›Realität‹ und Freiheit in der nicht-konformen Kunstszene der ČSSR eine so große Rolle? Kann man von einer kreativen und disruptiven ›Praktik der Imagination‹ sprechen, die festgefahrene Alltagsroutinen und den politischen Status quo hinterfragt? Und nicht zuletzt: Inwiefern ermöglichte der Rückgriff auf die Frühe Neuzeit diesen Künstlern, die politisch prekäre Gegenwart der kommunistischen ČSSR kritisch neu zu denken?