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- Jenaische Zeitung :...
- 240. Jahrgang
- November
- Nr. 265 : Dienstag,...
- Kunst-Ausstellung
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Jenaer Kunstverein (DR), (DKR), (WR), (NSD/NS), (DDR), (BRD), (20.12.1903 - 1937; XX.02.1990 -)
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JZ Di, 11. November, Nr. 265 Kunst-Ausstellung. Erich Heckel ist in Jena schon seit Jahren von mehreren Ausstellungen wohlbekannt, auch die Gruppe von Künstlern, denen er nahe steht und die künstlerische Bewegung innerhalb deren er steht. Es wäre nicht nötig, darauf einzugehen, und ich hätte mich nur mit der Stellung des Künstlers innerhalb jener Bewegung und mit seinen Werken zu befassen, wenn nicht Herr Philipp Kropp in der Weimarer Zeitung ihn vor einigen Tagen einen „Futuristen“ genannt hätte. Da das Publikum durch neue und fremdartige künstlerische Bestrebungen schon ohnehin beunruhigt und verwirrt wird, ist es besonders schädlich, wenn man es noch durch unrichtige Schlagworte oder Fachausdrücke irreführt. Am besten tut man in Besprechungen von Ausstellungen von allen Schlagworten abzusehen und auf das Wesen der Sache einzugehen. Wir werden hierauf zurückzukommen haben, wenn im nächsten Monat die Ausstellung der Arbeiten von Olbricht in Weimar zu besprechen sein wird, die in jeder Beziehung anders geartet und von dem liebevollsten Eingehen auf die feinsten Formen der Naturobjekte getragen sind. Will man nun aber Fachausdrücke anwenden, so müssen sie richtig sein. Es ist bisher in Jena noch nie ein futuristisches Bild ausgestellt worden. Eine Feststellung, die der Vorstand des Kunstvereins schon einmal bei Gelegenheit einer der hier landesüblichen namenlosen Eingesandts machen mußte. Futuristen wollen Gedanken darstellen. Sie tun das, indem sie in fast rebusartiger Weise zerstückte Gegenstände über ihre Bilder verteilen, so daß man, wie in einer Bilder- oder Rätselschrift lesen muß. Farbig waren die futuristischen Bilder, die ich bisher gesehen habe, eintönig, fast braun in braun. Die Bewegung, in welcher Heckel steht, geht etwa von Cézanne aus, wurde vielleicht am ersten von Munch aufgenommen, van Gogh, Matisse, bei uns Nolde, die „Brücke“, die neueste Sezession, die neue Gruppe von Künstlern in München und ein großer Teil der jüngeren nehmen daran teil. Nicht Zerstückelung, sondern Zusammenfassung in große Massen, nicht Farblosigkeit, sondern starke Farben als Träger der Bildeinheit, nicht Gedanken, sondern inneres Schauen und Ausdruck des Empfindens wird zu erarbeiten gesucht. Daher der Name „Expressionisten“, den ein Teil der Künstler angenommen hat. Ahnherr dieser Bewegung in Deutschland dürfte der große Matthias Grünewald sein. Man sieht, es handelt sich um durchaus diametrale Gegensätze. Gewiß, die Bilder von Heckel werden durch diese Feststellung nicht schlechter und nicht besser, aber es ist nun einmal kein Futurist, wie eine Linde keine Fichte ist. Heckels Kunst ist außerordentlich gewachsen. Ich habe bei früheren Gelegenheiten niemals verhehlt, daß er mir im Vergleich zu anderen Gleiches erstrebenden Malern, z. B. zu Nolde, weniger stark erschien, auch erschien mir sein Können sehr entwickelt und vor allem empfand man einen gewissen Gegensatz zwischen seinem inneren Empfinden, das mir eher lyrisch und zart erschien und dieser Malweise, bei der es wenigstens vorläufig ohne scheinbare Brutalitäten nicht abgeht. Ich empfand dies namentlich vor dem Bilde eines sitzenden jungen Mädchens, das vor Jahren hier ausgestellt war. Um bei diesem Punkte anzuknüpfen, so ist in dem Mädchenkopf, Nr. 19, die volle Harmonie erreicht: der Klang der Farben blauweiß, rosa und gelb findet sich zum Akkord zusammen und hilft den Zauber eines ungeheuer zarten seelischen Ausdrucks wirksam zu machen. Sonst wird es mir, wie ich oft bekannt habe, schwer, mich in die willkürliche und eigenwillige Art der Darstellung menschlicher Körper bei allen Malern dieser und verwandter Richtungen hinein zu finden, und so bleiben mir die Figurenbilder auch von Heckel meist verschlossen. Aber für die starke und unheimliche Stimmung, die der geschlossenen Komposition verdankt wird auf dem Bild „Der Idiot“, bin ich durchaus empfänglich, und dafür, daß der Maler, gewiß als einer der ersten bei uns, eine Szene von Dostojewski’s unvergleichlichem Buch seinem Bilde zugrunde gelegt hat, sei ihm besonderer Dank gesagt. Im übrigen stehe ich den Landschaften mit größerem Verständnis gegenüber. So der wundervollen Komposition in grün und gold, Nr. 17, dem groß aufgefaßten Bilde „Gelbe Segel“, Nr. 24, der düsteren „Akazienstraße“, Nr. 10. Auch Nr. 1, „Badende am Strand“, und Nr. 14, „Durchblick auf den Strand“, mit dem lockeren Gezweige und den farbigen Blumen sei noch hervorgehoben. Wie sehr das Können des Künstlers gewachsen ist, sieht man aus dem Kanal bei Caputh, Nr. 22, einer offenbar schnell unmittelbar vor der Natur gemalten Studie, die mit sparsamen und einfachen Mitteln, den ganzen Reiz dieses wundervollen Stückes unserer unvergleichlichen märkischen Natur mit dem flimmernden Spiel von Sonne und Wasser darstellt. Wird man bei Heckels Oelbildern vielleicht noch hie und da an andere Vorbilder erinnert, so ist es ihm in Aquarellen und seiner Graphik, die in Frommann’s Hofbuchhandlung ausgestellt sind, schon in höherem Grade gelungen, seinen eigenen Weg zu zeigen. Auch hier genieße ich in erster Linie die Landschaften in ihrer ausdrucksvollen Massenanordnung und ihrem einheitlichen Farbenklang, doch ist auch hier ein mit der Feder und dem Pinsel gezeichneter Mädchenkopf von leisem und besonderem Reiz. B. Graef.
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- Kunstverein/Ausstellung im Kunstverein / Kunstausstellung
- Rubriken Kunst
- 2.-16. November: Erich Heckel, auch im Graphischen Kabinett