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JZ Di, 30. September, Nr. 229 Berliner Stimmungsbilder. Von Paul Lindenberg. […] Aehnlich wie mit der Musik verhält es sich bei uns auch mit der bildenden Kunst, hier wäre gleichfalls ein weniger mehr. Vor Kunstsalons und Kunstausstellungen kann man sich kaum noch retten, und wer die überwiegend schlechte materielle Lage unserer Maler und Bildhauer kennt, der fragt sich besorgt, wo das noch hinaus soll. Denn es ist eine Ueberproduktion vorhanden, die zu schlimmsten Befürchtungen Veranlassung gibt! Die Zahl jener, die sich berufen glauben, überwiegt um das hundertfache die jener, welche berufen sind. Welche Selbsttäuschung, welche Ueberhebung, welche Irrwege – um nicht ein anderes Wort zu wählen, das mit der gleichen ersten Silbe anfängt – in Anschauungen und Empfindungen treten uns in dem „Ersten Deutschen Herbstsalon“ entgegen, dessen Bilder und Skulpturen die kahlen Räume eines Hauses der Potsdamer Straße füllen. Es wird einem direkt in des Wortes wahrster Bedeutung grün und gelb vor Augen, solche Farbenschmierereien geben sich hier eine trauliche Zusammenkunft, richtiger eine traurige, denn selbst der für unfreiwilligen Humor Empfänglichste fragt sich schaudernd, wie lange die Geduld der Besucher diesen Kindereien und Abnormitäten gegenüber währt. Mit dem Lachen allein ist’s nicht mehr gemacht! – Wie von einem Druck befreit, atmet man auf, wenn man die neue Ausstellung des Vereins Berliner Künstler in der Bellevuestraße betritt. An erster Stelle fesseln uns dort verschiedene neuere Gemälde Josef Rummelspacher’s, der uns mit verständnisreichster Vertiefung die Natur zeigt, wie sie ist, jeden billigen Effekt verachtend, niemals durch kleinliche Einzelheiten zu blenden suchend, aus dem eigenen starken Gefühl schaffend und nicht aus dem des Grübelns und Erwägens. Seine hier befindlichen Heidebilder zumal sind von tiefster Wirkung, von einer Kraft und Ursprünglichkeit, wie sie nur wenigen Landschaftern zu eigen. Nach Fritz Genutat und Bodo Wille sind mit hervorragenden Landschaften, deren Motive zum Teil der Mark entnommen sind, vertreten, der erstere noch mit mehreren farbigen Studien, die von einer sehr tüchtigen Technik und von sicherer Beobachtungsgabe zeugen. Als Radierer, der sowohl die Werke der Großen, eines Rembrandt, Sebasteano del Piombo, Feuerbach usw., feinsinnig wiederzugeben versteht, wie er auch seinen eigenen, phantasiebeschwingten Schöpfungen mit Griffel und Radiernadel zur vollen Geltung zu verhelfen weiß, lernen wir Otto Sander-Herweg schätzen. Seine Allegorie Beethoven’s und sein Luzifer fesseln uns in ergreifender Weise durch Stimmung und Gestaltung; ein schöner und eigenartiger Frauenkopf prägt sich der Erinnerung ein, sehr sinnig sind die verschiedenen Exlibris erfunden und vollendet durchgeführt.
- Rubriken Kunst
- 1913