- A-Z
- Jenaische Zeitung :...
- 240. Jahrgang
- Juli
- Nr. 177 : Donnersta...
- Heimatschutzbund, W...
- Erwähnte Institution
-
Bund für Heimatschutz (Ortsgruppe Jena)
- Erwähnte Person
- Zusammenfsg.
-
Jenaische Zeitung, 31.7.1913 Heimatschutzbund, Werdandibund, deutscher Werbebund [sic]. Ueber dies Thema sprach am vergangenen Sonnabend, dem letzten Vortragsabend der Kultur-Historischen Abteilung der Gesellschaft für Geschichtskunde, Herr Diplom-Ingenieur W. von Dall’Armi. Wir geben im Folgenden einen kurzen Ueberblick über diesen sehr interessanten Vortrag. In rastlosem Tempo hat unser vielbewundertes, aber auch viel gescholtenes Maschinenzeitalter den alten Kulturboden von Grund aus umgepflügt und sentimentale oder romantisierende Ueberreste einer gewesenen, feineren Kultur hinweggefegt. Extrem materialistische Gesinnungen, einseitiger Erwerbsbetrieb und stolze Ablehnung aller guten Tradition und Natürlichkeit geben dem Leben seinen veränderten Ausdruck, Gediegenheit und Echtheit wurden fremde Begriffe angesichts einer auf schnellen Wechsel der Erscheinungen bedachten Mode und Putzsucht. Eine beispiellose Unkultur und Unsicherheit des Geschmacks bezeichnete den Ausgang des 19. Jahrhunderts, wozu auch das verworrene Suchen nach einem neuen Stil viel beitrug. Da gebar das neue 20. Jahrhundert aus ungebrochener Kraft heraus die notwendigen Gegenströmungen, die zur rechten Zeit noch unsere durch rücksichtslosen, gemütsarmen Industrialismus arg bedrohte Kultur auf andere, nach aufwärts führende Bahnen wiesen. Einen gemeinsamen Ausdruck finden diese Gegenbewegungen in den Ideenkreisen des Heimatschutz-, Werdandi- und deutschen Werkbundes. Der Heimatschutzbund, mit seinem Mitbegründer und Vorsitzenden, Professor Schultze-Naumburg in Saaleck, an der Spitze, lenkte die Blicke der Massen auf auf [sic] die köstliche, dem Untergange geweihte, alte gut bürgerliche Bauweise und machte durch Wort und Bild unermüdlich auf die bodenlosen Häßlichkeiten der neuen Richtung aufmerksam. Schutz allen edlen Kulturdenkmälern vergangener Zeiten, Schutz der Natur vor den Rohheiten industrieller Gestaltungen, Wiederaufnahme der traditionellen, heimatlichen Bauweise besonders auf dem Lande, ferner unentgeltliche Bauberatung und stete Anregung zum Besseren, das sind die Hauptgesichtspunkte aus dem Programm des Heimatschutzbundes. Wir schützen unser Heimat- und Landschaftsbild aber nicht durch Konservieren und Wiederholen des Alten, sondern mindestens ebensogut auch, indem wir alles Neue sinn- und zeitgemäß gestalten, indem wir dem Ringen unserer Zeit nach eigenem Ausdruck entgegenkommen. Im Heimatschutz erblicken viele etwas den gesunden Fortschritt Hemmendes, etwas Altertümliches; diesen kommt der Werdandibund mit seinen Ideen entgegen. Der Werdandibund ist eine erst wenige Jahre bestehende Gründung des Prof. Dr. Fr. Seesselberg in Charlottenburg. Seine Bestrebungen sind auf eine Kräftigung der in der Gegenwart stehenden deutschen Kunst gerichtet. Er bekämpft Fremd- und Altertümeleien und nimmt das Leben wie es ist. Alle Ausdrucksmittel, die unser industriell tätiges Zeitalter produziert, sind an sich gut, nur müssen sie richtig und mit Geschmack angewendet werden. Einen im Sinne des Heimatschutzes häßlichen Baustoff gibt es für den Werdandibund nicht. Auch dieser Bund errichtet Bauberatungsstellen und sucht im Anschluß an die Behörden sich zu stärken. Bis jetzt läßt sich noch nicht voraussagen, ob diese neuen, an sich sehr vernünftigen, guten Gedanken sich durchsetzen werden. Den mächtigsten Faktor im Bunde bildet aber der deutsche Werkbund. Er wurde im Jahre 1907 in München gegründet, als die Geschmacklosigkeit in vielen Gewerben noch in hoher Blüte stand. Der Werkbund stellt eine nationale Kunstorganisation innerhalb des deutschen Sprachgebietes dar, die alle räumlich gestaltenden Kräfte umfassen will. Nur die Besten können ihm angehören, keiner kann sich, wenn er nicht Außerordentliches geleistet hat, ihm freiwillig anschließen. Ein Bund der Schaffenden, der Kunstfrohen, der Starken will der Werkbund sein. Qualitätsarbeit um jeden Preis, Veredelung und Durchgeistigung der gewerblichen Arbeit, das sind die Hauptschlagworte, mit denen man seine Tätigkeit und Ziele zusammenfassen kann. Das deutsche Handwerk vor allem will er fördern und guten Geschmack und Verständnis für gute, zweckmäßige und schlichte Formensprache wieder unter die Massen bringen, die immer noch von den billigen, geschmacklosen, unsoliden Massenartikeln einer schlecht geleiteten Industrie überflutet werden. Sein mächtigstes, unentbehrlichstes Werkzeug, die Maschine, muß der Mensch wieder ganz in seine Gewalt bringen und versuchen, mit ihr sein Bestes zu geben, nachdem man ihren Wert als Produktionsmittel auch auf künstlerischem Gebiete so lange nicht einsehen wollte und unterschätzt hat. Das Wort Ausdruckskultur ist zum Kennwort unserer Zeit geworden. Auch der Werkbund vertritt den Gedanken, daß es keine Aufgabe gibt, die sich nicht anständig und geschmackvoll lösen ließe. Selbst Fabrikbauten sind einer Formgebung fähig, die durchaus nicht unser gesundes ästhetisches Empfinden verletzen muß. Gerade weil sich die echten Künstler so lange von den brennendsten Fragen des täglichen Lebens ferngehalten haben, sind alle Alltagsaufgaben mit jener Liebelosigkeit und rührenden Verständnislosigkeit ausgeführt worden, die den Feinsinnigen jetzt noch und so lange sie stehen mit Schaudern erfüllen. Nur ein Zusammenschluß der Besten, der für wahre Kultur Begeisterten kann successive Besserung und Ordnung in das Durcheinander und Nebeneinander unseres Kulturbildes bringen. Erst wenn das Volk wieder aus sich heraus nur das Gute schafft, wenn es die Erkenntnisse wieder in sich aufgenommen hat, die ihm jetzt von außen mühsam beigebracht werden, nachdem es im Fortschrittstaumel viel innere Werte und Güter leichtsinnig von sich geworfen hatte, erst dann hat die Freiheit des Heimatschutz-, Werdandi- und Werkbundes ihre hohe Mission voll und ganz erfüllt. Mit einer Menge gut gewählter Bilder und Materialien erleichterte der Vortragende das Verständnis seiner wohlgeordneten Ausführungen. Er zeigte an einer Reihe von Beispielen den Tiefstand des Geschmackes der deutschen Fabrikanten und Unternehmer zur Jahrhundertwende und die Wege, auf denen Baukunst und Kunstgewerbe jetzt wandeln. Daß ein ernstes Suchen und Streben zum Guten in unverminderter Kraft anhält, ist deutlich zu erkennen. Damit muß sich auch das gesamte Kulturniveau heben. Denn nach Ruskin ist die Frage nach dem guten Geschmack, den ein Volk in seinen Lebensäußerungen verrät, gleichzeitig eine Frage nach seiner Moral[.] Insofern ist es nicht gleichgültig, ob wir gut oder schlecht, schön oder häßlich produzieren. Auch die Eroberung des Weltmarktes kann nunmehr mit gediegener Qualitätsware geschehen. Wie weit wir es darin schon gebracht haben, das soll im nächsten Jahre die erste deutsche Werkbundausstellung in Köln aller Welt zeigen. Hier soll auch ganz besonders zum Ausdruck kommen, daß wir Deutsche unsere Geschmacksrichtung nicht mehr vom Ausland zu beziehen brauchen, sondern daß die Wurzeln unserer Kraft wie in allem, so auch in der Kunst, im Kunstgewerbe und Handwerk in unserer reichen, nationalen Eigenart liegen.
- Rubriken Kunst
- 1913