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Jenaische Zeitung, 16.7.1913 Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 11. Juli. Pastelle und Zeichnungen von Ludwig v. Hofmann. Ludwig v. Schorn sagt einmal in einem Aufsatz über die Studien der griechischen Künstler: „Das Entzücken an der Schönheit hat sich in Polyklet gleichsam auf die äußerste Höhe des Verstandes gewagt.“ Danach könnte man Hofmann den Polyklet der modernen Malerei nennen, dem strengste Schulung eigen ist, und für den eifrige und siegreiche Lösung schwieriger Haltungs- und Bewegungsprobleme zum künstlerischen Lebensbedürfnis gehört. Wir Weimaraner sind wohl zuhause in den unerschöpflichen Jugendgärten seiner Kunst mit ihren Märchenfarben, ihrer gewellten blaugoldenen Weltentrücktheit, ihren Blüten- und Fruchtbäumen und bunten Gewässern aus Nirgendland. Nicht immer trägt uns die eigne Stimmung glatt hinein in diese Schimmerwelt der holden Unnatur. Aber sobald das Auge sich einmal festgesogen hat an den herrlichen Gestalten, die da rhythmisch auf- und abschreiten, eilen, ringen, tanzen, ruhen in der Grazie und Kraft ihres Baues und Lebensspiels, da hat uns der Meister bezwungen. Die Arbeitshelfer des polykletischen „Verstandes“, das messende Auge, die scharfe Beobachtung, die feinste Berechnung geben seinem Geschaffenen, dieser Auslese einer körperseligen Jugend, die vollste Wesenhaftigkeit. An der erfreuen wir uns wieder in hohem Maße, bei der Vertiefung in die Zeichnungen und Pastelle, in denen die Farben eine untergeordnete Rolle spielen, die entzückende Poesie der Linie aber alles ist. Mit welcher federnden Anmut dehnt sich der Körper des Jünglings, der sich dürstend zum Sturzwasser der „Fontäne“ hinüberreckt, indeß unten am Bassin das Pferd sich ruhig erquickt! Wasser ist fast immer irgendwo in der Nähe oder beteiligt, wo diese kraftvollen nackten Elementarmenschen sich tummeln; Wasser, Sonnenfeuer, umspielende Luft und die ausruhenden Polster der Erde für die sanft und wohlig Erschöpften, daraus bildet sich das Klima, welches sie nährt. – Wo der Wasserfall durch drangvolle Felsenenge herunterstrebt, sind Mädchen auf die Vorsprünge geklettert. Eine ruht, eine thront, eine starrt in das Schäumen hinab, eine will ein Gewand überwerfen. Ein Jüngling reitet sein Pferd in die Schwemme, hinter ihm steht, vorsichtig-selig sich festhaltend, ein Kindergestältchen auf der Kruppe. Auf der Düne strecken sich schlanke Frauen in wunderbarer Gelöstheit der Glieder. Hier kämmt eine gelassen ihr Haar, allerliebst versonnen verfolgt ein ganz kleiner Junge den Vorgang, die Händchen auf dem Rücken. Auf der Wiese liegt, auf einem Arm gestützt wie der Flußgott Ilissus, ein Ruhender. Ein Mädchen pflückt für ihn Zweige von einem Blütenbaum. Alles die lieblichsten, im Fluge gehaschten Stellungs- und Bewegungsmotive, in denen der Körper zu sprechen anfängt. Auch Gewagtes, gleichsam Atemloses fehlt nicht. Wie verbiegt sich, packt, hält mit stählerner Gewalt der Mann bei dem „Toten“ dessen steifen Körper fest, während das Weib sich mit dem Leichentuch müht! Da sind kühnste Ueberschneidungen, blitzartige Momentbeobachtungen festgehalten, ebenso wie beim „Pentheus“. Aber seine Heimat hat Hofmann unter der klaren Sonne Polyklets, wie wir ihn auch nicht gern „Spukgestalten“ ersinnen sehen; er kann uns nicht damit zu fürchten machen. Viel geisterhafter als sie wirkt die in Grau und düsterem Gelb gehaltene „Morgenstimmung am Golf von Neapel“, eine wahre Weltuntergangsbeleuchtung, die neben den beiden (dem Museum gehörigen) schönen kleinen Gebirgsszenerien den Künstler als Landschafter zeigt. Er nehme unsern Dank für die Gaben dieser Ausstellung, deren Reichtum wir nur unvollständig skizzieren konnten. Moderne deutsche Graphiken. Majoliken von Prof. Hoetger. Unter den modernen deutschen Graphiken, die gleichzeitig mit der Hofmann-Ausstellung im Kunstgewerbemuseum zu sehen sind, findet sich manches Interessante. Kein Geringerer als Lovis Corinth bringt sein mit bewährtem Meisterstichel ausgeführtes Selbstporträt als Radierung; das amüsant-ironisch aufgefaßte „Mädchen mit Hund“, das aber von drei fein beobachteten Kötern gleichsam umkränzt ist, hat er ebenfalls gespendet. Otto Goetze, einer von denen, bei welchen die schwarze Kunst in ihrem subtilen Licht- und Schattenspiel fast farbig wirkt, will zwei Geschichten erzählen. Da ist ein brennendes, dunkelrauchendes Dorf im Schnee, aus dem eine nackte Frauengestalt verzweifelt in den Winter hinausstürzt, verfolgt von wirrem Kriegsvolk. Jeder Fußtritt läßt ein tiefes Loch in der weißen Decke… Nebenan ist Sommernacht, schwarzsamtner Himmel mit Sterngeflimmer starrt ins weite Schlafgemach eines Schlosses, in dem die Hitze das hochgeborne Fräulein nicht schlafen läßt; ruhelos schweift sie durch den Saal, die letzte Hülle auf der Diele nach sich ziehend… A. Helberger bringt eine freundliche, bunte Lithographie mit blühenden Bäumen, Fritz Lederer u. a. Porträtradierungen ersten Ranges von Moissi und Paul Wegener, Weinhold ein gleichfalls radiertes vorzügliches Bildnis Max Regers. Dagegen hat Max Oppenheimer dem Dichter Heinrich Mann eine seltsame Ehre erwiesen, indem er ihn wie einen Enthaupteten porträtiert. Denn ein abgeschnittener Kopf, schiefmäulig und erstorben, ist in kapriziöser Strichelmanier auf dem betreffenden Blatte verewigt. Hans Meids kunstgeübte Hand möchte man gern minder ekelhaftem Realismus dienen sehen, als es in seiner Frau Potiphar der Fall ist. Die liebenswürdigen Landschafter-Radierer Oesterle, Pretzfelder, Schocken, Lisemann-Wulf bringen intime Blätter aus dem Bilderbuch der deutschen Flachlandnatur mit Wiese, Feld und Fluß. Hermann Struck hat zwei unendlich liebevoll radierte Venedig-Veduten und einen stillen, verschneiten Abhang ausgestellt. Eine eigentümliche Kunst für Liebhaber hält ihren Einzug in Gestalt der Majoliken von Prof. Hoetger – Darmstadt. Sie werden von einem gewaltigen Reklamezettel begleitet, aus dem man haarklein erfährt, wie man sich dazu persönlich zu verhalten hat. Wir empfehlen seine tiefsinnigen Erörterungen denen, die nicht alle werden. Die glasierten Tonfiguren in ihren gemusterten, robbia-blauen Gewändern verkörpern teils drastisch, teils manieriert zierlich allerhand Einflüsse der indischen und Rokkoko-Kunst [sic], denen sich ihr Urheber hingegeben hat. Gewiß werden sie dekorativ wirken, wo sie hinpassen; daß sie ein „künstlerisches Erlebnis auslösen“, kann man aber wirklich so wenig von ihnen verlangen, wie daß sie auf ihre schönen Namen hören.
- rubric
- Skizzen aus der Landeshauptstadt
- Rubriken Kunst
- 1913