- A-Z
- Jenaische Zeitung :...
- 240. Jahrgang
- Juli
- Nr. 154 : Freitag, ...
- Der Einfluß des Eis...
- Erwähnte Person
- Erwähnte Institution
- Zusammenfsg.
-
Jenaische Zeitung, 4.7.1913 Der Einfluß des Eisenbetons auf die moderne Bauweise. Ueber dies Thema sprach am Freitag voriger Woche Diplom-Ingenieur W. v. Dall ‘Armi in der „Kultur-Historischen Abteilung“ der Gesellschaft für Geschichtskunde. Der Eisenbetonbau ist ein Kapitel aus der Geschichte der Modernisierung der Architektur. Nach dem gewissenhaften und langweiligen Historismus der Mitte des letzten Jahrhunderts, und auf die kurze Epoche des „Jugendstiles“ im letzten Jahrzehnt des vergangenen neunzehnten Jahrhunderts folgend, beginnt die Baukunst einen eigenen Stil zu suchen, der nicht bloß historische Kenntnisse, bizarre Einfälle, sondern die kulturellen Grundlagen des modernen Lebens erkennen läßt. In einer Art von naturalistischer Gesinnung wirft sie alles Entbehrliche von sich und stellt drei Haupterfordernisse auf: Zweckmäßigkeit, Materialgerechtigkeit, klare Konstruktion. Indem somit das eigentliche Künstlerische: Stil und Komposition bewußt zurückgestellt wird, nur das Objekthafte Beachtung gewinnt – wird der eigentlich künstlerischen Spontaneität die Ruhe gewährt: jene stilistisch-kompositionelle Formulierung zu finden, in der sich der Kultur-Gehalt unserer Zeit auszusprechen vermag. Unserer vielfach zersplitterten, in unendlichen Differenzierungen arbeitenden Zeit genügten die alten Materiale nicht. Als die neuen Ideen kräftig wurden, und die Anbahnung einer neuen Bauweise erfolgte, arbeitete sich ein neues Konstruktionsmaterial ans Tageslicht: der Eisenbeton. In wenigen Jahren fand er Eingang und Beliebtheit bei aller Welt, er konnte alle Tagesaufgaben erfüllen und stellte mit einem Male Stein-Holz und Eisen in den Schatten. Was man lange vom Eisen erhoffte: ein selbständiges, stilbildendes Auftreten, das schien sich nun im Eisen-Beton rasch und stark zu erfüllen. Er beherrscht jetzt überall das Feld, wo es gilt, konstruktive, technische, wirtschaftliche und ästhetische Vorteile zu verbinden, er ist unbestritten das neue Mittel für die neuen Zwecke. – Als Beton bezeichnet man eine innige Mischung eines Bindemittels wie Kalk oder Zement mit einem Füllmaterial, wie Kies, Sand, Schotter, die unter Zusatz von Wasser durch chemische Reaktion zu einer steinartigen Masse erhärtet. Die Kenntnis des Betons ist uralt und läßt sich bis zur Römerzeit verfolgen, wo man freilich nur natürliche Zemente und Kalke kannte, während man heutzutage künstliche verwendet. Die Kunst des Betonierens ging sonderbarerweise Jahrhundertelang verloren, bis sie durch Zufall im 19. Jahrhundert wieder entdeckt wurde. Ein französischer Gärtner Monier erfand seine Zubereitung von neuem, und ließ sich 1857 das erste französische Patent geben. Aber erst in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts gelang es der Bauwissenschaft nach weiteren mühevollen Versuchen und Berechnungen, das Material allgemein verwendungsfähig zu gestalten. Die reine Betonbauweise nahm ihren Anfang bei den Aufgaben des Tiefbau-Ingenieurs. Langsam bürgerte sie sich dann im Hochbau ein: als Eisenbeton. An einer langen Reihe vortrefflicher Bilder zeigte der Vortragende die ästhetischen Reize der neuen Bauweise und illustrierte so auf das Interessanteste seine klaren Ausführungen.
- Rubriken Kunst
- 1913