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Jenaische Zeitung, 25.6.1913 Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 21. Juni. Die Königschen Holzschnitte im Kunstgewerbe-Museum. Adolf König aus Eschede stellt am Karlsplatz Holzschnitte aus, deren schwere, kraftvolle Linien der einfachen und starken Natur der Heidelandschaft mit ihrem knorrigen Baumwuchs, ihren trägen Wassern unter dunkeln Brücken, ihrem stürmischen Wolkenspiel über weiten Fernen entsprechen. Schwarz und Weiß werden zur Farbenskala für den, welcher sich in die Lichtabtönung hineinsieht, und die Stimmung, aus der die fein empfundenen „Original-Handdrucke“ geboren sind, fesselt und überträgt sich fast immer. Sie ist besonders dann zwingend, wenn die Kiefern, der Wacholder, der Vogelbeerbaum, die alte Weide, gleichsam als Einzelpersönlichkeiten festgehalten sind, wie man deren Bekanntschaft manchmal auf einsamen Spaziergängen macht und sie nie wieder vergißt. Seltsam versponnen wuchert das Astwerk jenes uralten Riesen-Juniperus, leise zitternd beugt sich das Weidenhängewerk über den lichten, schimmernden Wasserspiegel, an dem ganz nebenher kleine, drollige Waschweibchen „nach Reinheit streben“. Ein paar Schirmkiefern, vom Winde in die verzwicktesten Formen gebogen, scheinen phantastisch auf einem Bein zu tanzen. Aber wie getragene Musik wirkt die Vereinigung derselben Bäume auf weiter Fläche zu einem weiten, lustigen, kleinen Hain, einer pineta. Am Waldrand liegt „letzter Sonnenschein“, da tritt die schwarze, schlanke Silhouette eines Rehes graziös zwischen den Stämmen hervor. Denn auch zu der Tierwelt hat Auge und Hand des Künstlers ein ausgeprägtes Verhältnis. Wie wohlig dehnt und krümmt sich die weichfellige Katze im Schlaf, wie struppig und nachdenklich spintisiert der Rabe vor dem Tintenklecks auf dem hübschen Exlibris! – Auch die kleinen Puttengruppen, die nach dem Modus „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich,“ ihr lustiges Wesen treiben, haben etwas von runden, beweglichen Tierchen. Ein lieber, großer, ernsthafter Kinderkopf „Paulchen“, erfreut durch seinen stillen, halberblühten Reiz. Und das Problem des „Studium“ überschriebenen Holzschnittes, das moderne Mädchen, das den Totenschädel betrachtet, könnte zu allerhand Gedankengängen und –Sprüngen verleiten. Aber vom Verwickelten und Komplizierten führt uns diese Künstlerpersönlichkeit schnell und leise wieder hinweg; denn aus ihr redet Hölderlins sehnsuchtsvolles Wort: „O, Natur, Natur! Wie alt und neu ist uns’re Liebe!“
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1913