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Jenaische Zeitung, 10.6.1913 Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 6. Juni. Der Sommer ist da, und eine Sommerseele hat der Künstler, dessen Gemälde eben jetzt am Karlsplatz ausgestellt sind: August Lüdecke-Cleve aus München. Helle, freudige Lebensbejahung, kräftige, derbe Pinselführung, frohe Farbenfülle, fein gestimmte, reizend durchsonnte oder zartschleierige Luft. Man wandert von Bild zu Bild in der alten Paul-Gerhard-Feststimmung „Geh‘ aus mein Herz und suche Freud‘…“ und bald dieser, bald jener Vers dieses lieblichsten aller geistlichen Lieder wird lebendig. „Schau an der schönen Gärten Zier, und siehe, wie s[ie] mir und Dir sich ausgeschmücket haben!“ August Lüdecke hat die Tulpenfelder, die Hyazinthenbeete, die Blumenteppiche aller Art in Holland sich ausbreiten, bläuliche, schimmernde Kanäle hochbelastete Blütenkähne tragen sehen: einsame Mühlen und Häuschen haben in all der brennenden Pracht gestanden, die Hitze hat leise geflirrt. Prächtiges Vieh hat sich aus der Glut in kühlen Baumschatten verzogen, da stehen die Tiere regungslos wie verträumt, etwas Goldlicht spielt durch die breiten Zweige. Garben lehnen und häufen sich auf dem Felde, die Sonne dringt tief in das satte Korngelb hinein, daß es im Bronzeton aufschimmert. Blasse, gleichsam verklärte Baumgestalten stehen in weißlich dämmernder Landschaft, die nur leise durchleuchtet ist. Ob der Katalog das Bild nicht „Traumland“ nennen wird? Nein, es heißt ganz einfach „Frühnebel“. August Lüdecke ist kein Symboliker, er gibt, was er gesehen hat, aus reiner Freude am Objekt wieder. „Du läßt es uns so lieblich gehn auf dieser armen Erde …!“ sagt seine Kunst wieder und wieder im Stil des alten Liederdichters zu Gott oder zur Natur. Denn wer so sieht, so genießt und so leuchtend und feinfühlig wiedergibt, was ihm begegnet, dem kann nicht wohl anders zumute sein. Und das, tut gut zu denken. – Eigentümlich ist es, wie Lüdecke die Menschen gleichsam ausschaltet auf seinen Bildern. Wo er ihrer nicht entraten kann, wie auf den Melkplätzen und bei der Gartenarbeit, sind sie schattenhaft gesehen, kehren dem Beschauer auch wohl ein Gesicht zu, das nur ein brauner Fleck ist. Das ist mehr als die bloße Konzentration des Landschafters auf die Landschaft. Man könnte denken, die blühende Welt und der Künstler, ihr feuriger Liebhaber, sind mehr für die Einsamkeit zu Zweien. Sie haben sich ja so viel zu sagen.
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1913