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Jenaische Zeitung, 21.5.1913 Berliner Stimmungsbilder. Von Paul Lindenberg. […] An solchen Gegensätzen und Vergleichen fehlt’s nicht in unserer kürzlich eröffneten Jubiläums-Kunstausstellung. Ihre Veranstalter gingen von dem Gedanken aus, ein möglichst reichhaltiges Bild der Entwicklung unserer bildenden Künste während der 25jährigen Regierungszeit des Kaisers zu geben. So gern man dieses Vorhaben begrüßte, so mußte man doch von vornherein an seiner Durchführbarkeit zweifeln. Dazu hätte es anderer Vorbereitungen bedurft und anderer Räumlichkeiten, in denen man die Kunst der neuesten Gegenwart und jene der jüngsten Vergangenheit, also des letzten Vierteljahrhunderts, getrennt untergebracht. Jetzt ist ein recht buntes Durcheinander entstanden, das den Ueberblick sehr erschwert, das in seiner willkürlichen Mannigfaltigkeit aber auch weniger die Lücken empfinden läßt, die vorhanden sind. So ist Arnold Böcklin garnicht vertreten, ebenso wenig A. von Hildebrand, von Menzel ist nur ein Werk vorhanden, ebenso von Max Klinger, und zwar kein hervorragend gutes, von Lenbach finden wir nur zwei Damenbildnisse, die uns nicht allzuviel besagen. Und wie sehr könnten wir die Liste dieser Aussetzungen erweitern! Dennoch bietet uns die Ausstellung viel des Guten und Fesselnden, und es ist anzuerkennen, daß bei der Auswahl der Werke keine einseitige Rücksichtnahme herrschte, sondern daß wir in verschiedenen Abteilungen und Gruppen jenen frischen Zug verspüren, den, durch die Schuld der Sezession, die Ausstellung der Berliner Künstler vermissen läßt. Auch auf das ganz Unbedeutende, das sonst durch allerhand Protektion Einlaß erhalten, trifft man diesmal nur selten, freilich werden wir auch, wie schon kürzlich hervorgehoben ward, durch nichts Ueberraschendes ergriffen und gefesselt. Der Architektur ist ein gar zu breiter Platz eingeräumt worden, ihre Säle drängen sich quer durch die anderen und beeinträchtigen die Stimmung. Gewiß, hier ist sehr viel Wichtiges und Bedeutsames vereint, aber zu den Modellen, die den Laien in erster Linie interessieren und ihm auch die beste Anschauung des Geschaffenen geben, gesellen sich im Uebermaß Zeichnungen, Photographien, Pläne[] die verwirrend und ermüdend wirken. Eine nähere Würdigung der Ausstellung kann nur nach und nach gegeben werden, man bedenke, daß hier fast 2000 Werke vereint sind, die weit über 50 Säle füllen! Zu den Glanzpunkten der Ausstellung muß man die Kollektivausstellungen Franz von Stuck’s [sic] und Gustav Schönlebers rechnen, in der ersteren eine ganze Welt beschwingter Phantasie in mannigfachster Gestaltung und Durchführung – man braucht durchaus nicht mit jedem Bilde einverstanden zu sein – in der zweiten die Natur in ihrer tiefsten Seele erfaßt von einem Künstler, der stets die höchsten Anforderungen an sich selbst stellt und diese stets zu erfüllen weiß. Unter den Sonderausstellungen der Architekten zeigt uns jene des Stadtbaurats Ludwig Hoffmann, wieviel Glänzendes dieser eine treffliche Baukünstler in gar nicht so langer Zeit für das äußere Bild Berlins getan hat; wir freuen uns über den gediegenen Ernst und die wechselnde Gestaltungskraft, die aus seinen Bauten spricht, welche zu monumentalen Wahrzeichen unserer Stadt geworden sind. Vergangenheit und Gegenwart vereint die umfassende Ausstellung Professor Bodo Ebhardt’s [sic], der manch versunkenes Schloß, manch zerfallene Burg zu neuem Leben erweckte; sein vielseitiges Talent und ernstes Studium unterstützten ihn bei diesem Bestreben, dem er sich mit vollster Hingebung gewidmet und, wie wir es hier beobachten können, mit glücklichem Erfolg. Eine Fülle guter Zeichnungen und mehrere ausdrucksvolle Gemälde Hans Rudolf Schulze’s [sic], verschiedene der gewaltigen Burganlagen darstellend, wissen geschickt das Interesse zu vertiefen. Wie gesagt, nur allmählich läßt sich ein Ueberblick des reichen Inhalts geben; von einer flüchtigen Durchwanderung seien hier nur das brillante Porträt des Reichskanzlers von Rudolf Schulte im Hofe, Artur Kampf’s [sic] packendes Bild der Aachener Bürger, die den General Jourdain um Schonung der Stadt bitten, Hoffmann von Fallersleben’s [sic] stimmungsvolle Landschaften, Hans Herrmann’s [sic] besonders frische und farbenfrohe Motive aus Holland, W. Trübner’s [sic] lebensgroßes Reiterbildnis des Großherzogs von Hessen, Hans Koester’s [sic, gemeint ist Alexander „Enten-Koester“] von merkwürdiger Leuchtkraft und Naturwahrheit erfüllte Entenbilder, des viel zu früh verstorbenen H. Fenner-Behmer’s [sic] mit genremäßigem Reiz wirkendes Bild seiner anmutigen Schwester, Max Schlichting’s [sic] lebensdurchpulstes Gemälde vom Leipziger Platz und Hans Arnolds ergreifende, in des Wortes wahrer Bedeutung fortreißend gemalten Todesreiter des Jahres 1813 genannt. Bald soll diese kurze Hervorhebung ergänzt werden. Während auf dieser Ausstellung unsere Kolonien malerisch nicht zu ihrem Rechte kommen, geschieht dies in umfassendem Maße in der im Kunstsalon von Keller und Reiner veranstalteten Ausstellung „Deutsch-Afrika“. In hunderten farbiger Darstellungen wie in einer umfassenden Sammlung ethnographischer Gegenstände werden uns unsere Kolonien in Kamerun, Togo, Deutsch-Südwest und Deutsch-Ostafrika vor Augen geführt, alles sehr hübsch, sehr übersichtlich und anschaulich. Ein einziger Künstler, Ernst Vollbehr, hat diese Ausstellung zustande gebracht, die ebenso für sein künstlerisches Können wie für sein Sammeltalent spricht, nicht minder für seine Wanderlust, die ihn immer wieder und wieder hinausgeführt. Und mit dem Ergebnis darf er und dürfen wir zufrieden sein.
- Rubriken Kunst
- 1913