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Jenaische Zeitung, 10.5.1913 Lokales. Jena, 9. Mai. Bekanntlich hatte der Gemeinderat beschlossen, daß das Areal vor dem neuen großen Geschäftsgebäude, das die Firma Carl Zeiß auf dem Weimarischen und dem Gymnasiumsgrundstück an der Schillerstraße errichten will, mit gärtnerischen Anlagen ausgestattet werden soll, damit eine gute und gefällige Einpassung des gewaltigen Neubaus in das Straßenbild der mit grünen Bäumen und Vorgärten versehenen Schillerstraße und des schattigen Teichgrabens erzielt werde. Die Firma C. Zeiß hat nun für die architektonische Ausgestaltung der Fassade einen hervorragenden Fachmann, Professor Pützer – Darmstadt zu Rate gezogen, der aus Aachen stammt und ein Schüler des jetzt dort wirkenden Geheimrats Henrici ist, dem wir unsern neuen Bebauungsplan zu verdanken haben. Das neue Gebäude soll außer dem Sockelgeschoß 4 Stockwerke und ein Mansardgeschoß umfassen. Rechts und links treten zwei Flügel risalitartig vor, die durch flachbogige Giebel gekrönt sind, der neue Haupteingang für das ganze Geschäft wird durch ein vorspringendes überwölbtes Portal hervorgehoben und an beiden Ecken sind Laufbrunnen vorgesehen. Der Architekt ist bei der Fassadengestaltung sichtlich darauf bedacht gewesen, der sonst bei den Eisenbetonbauten der Firma Carl Zeiß ihrem Charakter nach als solchen noch vorherrschenden Vertikale durch entsprechende Horizontalen ein harmonisches Gegengewicht zu geben und hat damit auch eine eindrucksvolle Wirkung erzielt. Störend wurde nur eine zwei und einhalb Meter hohe Mauer empfunden, die vor dem Gebäude aufgeführt ist und diesem gewissermaßen einen breiten Sockel im Anblick verleihen soll. Ein Kunstwerk, also auch ein solcher Bau, soll einen Organismus, kein Konglomerat darstellen; diese Mauer hängt aber nur lose mit dem Bau zusammen, wächst nicht aus ihm heraus und ist ihrem angedeuteten Zweck nach fast nichts mehr als ein dekoratives Element, das zweckmäßiger und für das Straßenbild passender durch ein anderes ersetzt werden kann, etwa durch ein massiges Eisengitter, ähnlich wie bei der Reichsbank, ein modernes, architektonisches Holzgitter oder durch einen dichten immergrünen Zaun, zwischen dem sich die vorgesehenen Postamente mit Blumen-Vasen auch sehr hübsch ausnehmen würden. (Am besten würde zu dem architektonischen Gesamtgepräge der Fassade wohl ein Gitter passen, das durch kraftvolle Form dem Gittter [sic] der oben unter dem Dach entlang laufenden Galerie entspricht.) Aber nicht nur ästhetische, auch praktische Momente sprechen gegen die Mauer; diese verdunkelt die Räume im Sockelgeschoß. Auch wenn sie mit wildem Wein oder dergl. bepflanzt würde, wäre immer noch dieser Mißstand vorhanden. Aus allen diesen Erwägungen heraus kam gestern der Gemeinderat in seiner überwiegenden Mehrheit zu dem Beschluß, daß man zwar gegen die Fassade des Gebäudes selbst, ohne Stellung zu dessen Höhe zu nehmen, nichts einzuwenden habe, dagegen die Mauer und das Portal nicht genehmige; an dessen Stelle würde sich ebenfalls eine andere Lösung der Aufgabe finden lassen, den Haupteingang wirkungsvoll zur Geltung zu bringen. Beispiele dafür böten ja Kirchen ec. genug. Im übrigen blieb der Gemeinderat auf seinem früheren Beschluß, wonach das fragliche Areal gärtnerisch ausgestaltet werden soll, bestehen. Der Entwurf der Fassade lag dem Gemeinderat im farbigen Bilde vor und es wurde der Wunsch ausgesprochen, daß er öffentlich zur Ausstellung gelangen möge – ein Wunsch, dem hoffentlich die Firma C. Zeiß gern entsprechen wird.
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