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- Jenaische Zeitung :...
- 240. Jahrgang
- März
- Nr. 52 : Sonntag, d...
- Theaterneubau
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Jenaische Zeitung, 2.3.1913 Theaterneubau. Auf Einladung des Ausschusses hatten sich Freitag abend eine ganze Anzahl von Beitragszeichnern und sonstigen Interessenten, Damen und Herren im kleinen Volkshaussaal eingefunden, um Bericht über den Stand der Angelegenheit entgegenzunehmen. Als Vorsitzender des Ausschusses begrüßte Se. Magnifizenz der Prorektor Geheimrat Linck die Anwesenden, indem er nur bedauerte, daß die Interessenten nicht noch zahlreicher erschienen wären. In manchen Kreisen, so etwa führte er aus, heißt es, es wird nichts daraus: ganz falsch! Die Stadt als Hauptbeteiligte muß doch erst ihre Finanzen konsolidieren, ehe sie an einen Neubau des Stadttheaters herangehen kann, und inzwischen können sich die auf einen solchen gerichteten Bestrebungen weiter verdichten und so zu Erfolgen führen, welche die Möglichkeit des Neubaues in absehbare Nähe rücken. Ein bloßer Umbau wäre dagegen Geldverschwendung, denn er würde mindestens 200 000 Mark kosten und doch nichts ergeben, was länger als etwa 20 bis 30 Jahre Bestand hätte, abgesehen davon, daß die für viele unangenehmen Zugangsverhältnisse dabei kaum wesentliche Aenderung erfahren könnten. Weiter macht man bange damit, daß beim Neubau eines Stadttheaters die Kosten der Unterhaltung gewaltig steigen und einen Zuschuß von 60 000 bis 100 000 Mk. jährlich erfordern würden; die das voraussetzen, leiden an Jenaer Größenwahn. Das neue Theater braucht vielmehr verhältnismäßig nicht mehr zu kosten als heute. Zugegeben, daß die sozialen Verhältnisse an kleinen Theatern nicht glänzend sind – es kommen aber doch gute Schauspieler von hier an große auswärtige Theater, ein Beweis, daß wir schon jetzt keine so minderwertigen Kräfte haben. Können sie dann hier noch 30-40 Mk. den Monat mehr bekommen, so stehen sie sich ganz gut und wir werden auf gute Kräfte rechnen können, besonders wenn sich dann auch die z. T. geradezu skandalösen Bühnen- und Garderobenverhältnisse bessern und überhaupt ein ganz anderes Milieu geschaffen wird, denn das jetzige läßt auch bei den besten Vorstellungen keinen guten Eindruck aufkommen. Uebrigens wollen wir keine Konkurrenz mit Weimar, sondern ein Theater, das uns bekannt macht mit der modernen Literatur und den Klassikern. Das Weimarer Hoftheater hat ja vor seinem Neubau auch nichts Schlechteres geleistet (Zuruf: Besseres!) Wenn also die Finanzen der Stadt konsolidiert sind, wozu ja Aussicht besteht, wird auch das neue Theater kommen und wenn wir dann einen Theater-Verein haben, der jedes Jahr ein paar Tausend Mark zusammenbringt und auch für einen entsprechenden Zuschuß (vielleicht jährlich 10 000 Mk. mehr als jetzt) gesorgt wird, so wird das der Entwickelung der Stadt und der Universität, die ja beide sozusagen mit einander verheiratet sind, entschieden nützen. Wir dürfen nur nicht nachlassen in unseren Bestrebungen, uns nicht irre machen lassen durch Gegner und Zweifler, sondern müssen mit entschiedener Zuversicht vorgehen. Es fragt sich nur wie. Wir werden dann hören, wie viel an Beiträgen gezeichnet und wie wenig bis jetzt eingezahlt ist. Zunächst wird also eine Bitte ergehen müssen, die gezeichneten Beiträge nach Möglichkeit recht bald einzuzahlen, weil man gerade jetzt billige Staatspapiere kaufen und so den Vorteil späterer Kurssteigerung erlangen, inzwischen die Zinsen aufsparen und so einstweilen das Kapital durch sich selbst vermehren kann. Weiter kommt eine Lotterie in Betracht, die wahrscheinlich vom Ministerium genehmigt wird, dann aber auch nach den guten Erfahrungen, die man in Heilbronn unter denselben Verhältnissen wie hier damit gemacht hat, die Ausgabe von Anteilscheinen mit mäßiger Verzinsung, etwa 2½ Prozent, und entsprechender Tilgung, für welche die Stadt die Garantie übernimmt; das ermöglicht erhebliche Ersparnis an Zins und damit zugleich baldige Tilgung und Vermehrung des Kapitals. Notwendig ist aber, daß wir rasch eine Organisation schaffen – ohne solche geht es nicht und die Sache schwebt sonst in der Luft. Sie ist absolut notwendig, um die Rechte der einzelnen Zeichner, der Mitglieder, gegenüber der Gesamtheit zu wahren, ebenso wie die Rechte der Gesellschaft, der Vereinigung selbst gegenüber der Stadt, so daß alles, Leistung und Gegenleistung auf einem Vertragsverhältnis beruhen kann und damit alles steuerfrei bleibt, da es sich dann um keine Schenkung usw. handelt. Leistung und Gegenleistung beruhen im wesentlichen darin, daß der neue Theaterverein einen jährlichen Beitrag für das Stadttheater leistet und dafür ein angemessenes Mitbestimmungsrecht erhält. Dies besteht in der Hauptsache darin, daß der Theaterverein mit raten und taten darf durch seine Vertreter und daß ihm ein Einfluß gewährt wird auf das Projekt. Die Satzungen des Theater-Vereins, wie sie im Entwurf gedruckt vorliegen, sind von Justizrat Dr. Harmening und dem Vorsitzenden nach reiflicher Vorberatung und Erwägung aufgestellt worden. Wenn Bedenken bestehen gegenüber dem Mehrstimmrecht, das denjenigen, die größere Beiträge leisten, eingeräumt werden soll, so ist zu berichten, daß es sich nur um ein ganz beschränktes Mehrstimmrecht handelt, das rein praktischer Ueberlegung keinesfalls aber irgend wie reaktionären Gedanken entspringt; es soll lediglich damit auch hier Leistung und Gegenleistung etwas in Einklang gebracht, nicht etwa dem Geldsack gehuldigt werden. Die Organisation bietet auch noch den Vorteil, daß vermögende Bürger, die ihrem Interesse am Theater durch eine Stiftung, ein Vermächtnis usw. Ausdruck geben wollen, dann eine rechtsfähige Korporation haben, der sie ihre Zuwendung mit der Gewähr machen können, daß ihren Intentionen auf das beste entsprochen werden wird. Heute handele es sich nicht darum, das Statut anzunehmen oder zu verwerfen, oder es abzuändern, sondern nur um eine allgemeine Aussprache; das verteilte Statut möge in Ruhe durchstudiert werden und dann soll im April eine konstituierende Versammlung einberufen werden, ausdrücklich zu dem Zweck zu dem Entwurf Stellung zu nehmen, ihn durchzuberaten und zu genehmigen und den Theater-Verein zu gründen, dessen Mindestbeitrag (2,50 Mk.) absichtlich so gering bemessen ist, um auch möglichst viel „kleine Leute“ für das Theater zu interessieren. Zweck des Theatervereins – der ins Vereinsregister eingetragen werden soll – ist, seine Mitglieder zur Pflege der dramatischen Kunst in Jena anzuregen, die Kunst in Jena selbst zu fördern und alle darauf gerichteten Bestrebungen, namentlich die durch geeignete Theater in Jena versuchte Volksbildung zu unterstützen. Der Verein setzt sich besonders zur Aufgabe, der Stadtgemeinde Jena bei der Errichtung und Erhaltung eines neuen Theaters durch Rat oder Tat behilflich zu sein und sich im städtischen Theaterausschuß oder in einem sonstigen die Zwecke des Theatervereins verwirklichenden Ausschusse irgend welcher Art eine Mehrzahl von Sitzen und Stimmen zu verschaffen. Die Tätigkeit des Vereins darf sich auch auf verwandte Gebiete ausdehnen. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist ebenso wie die Verfolgung politischer Zwecke von der Tätigkeit des Vereins ausgeschlossen. Die Rechnungslegung erfolgte durch den Schatzmeister Bankier Sieber. Gezeichnet sind danach bis jetzt 103924,05 Mk. (außer dem von der Carl Zeiß-Stiftung in Aussicht gestellten Beitrag), wozu noch der Ertrag aus der Wallenstein-Aufführung mit 3206,50 Mk. kommt, = 107130,55 Mk. Eingezahlt sind, einschließlich dieser 3206,50 Mark im ganzen bis heute 15841,61 Mk., also etwa der siebente Teil der Zeichnungen. Von diesen entfallen 24309 Mk. auf die Universität und 79615 Mk. auf die übrige Bürgerschaft. Der Vorsitzende bemerkte hierzu, daß ihm von einem hiesigen Bürger eine sehr große Summe in Aussicht gestellt worden ist, die absolut sicher eingeht; doch trete er nicht eher an ihn heran, als bis die übrige Summe eingebracht ist. Die Aussprache eröffnete Geheimrat Binswanger. Er hielt einen Umbau für unstatthaft; wenn man dessen Kosten (150 000 Mk.) zu dem rechne, was man in absehbarer Zeit zur Verfügung bekommen dürfte, so hätte man schon 300 000 Mk. beisammen – dazu käme noch der Beitrag der Carl Zeiß-Stiftung. Die Frage sei vielleicht schon in 3 bis 5 Jahren zu lösen. Dann unterzog der neue Redakteur der sozialdemokratischen Weimarischen Volkszeitung, Herr Rudolph, den Statutenentwurf hinsichtlich verschiedener Bestimmungen einer Kritik. Er forderte, daß auch sein Blatt als Vereinsorgan erklärt werde und sprach sich namentlich scharf gegen jedes Mehrstimmrecht aus (man könne ja eher die Namen von Stiftern von Beiträgen auf Marmortafeln mit Goldschrift im Neubau anbringen!) und für entsprechenden Einfluß der organisierten Arbeiterschaft, die allein gegen 1500 Mk. aufgebracht habe und ohne die man in künstlerischen Dingen hier überhaupt nicht vorwärts kommen könne. Gemeinderatsmitglied Uhrmachermeister Beyer hob hervor, daß die Zurückhaltung vieler Kreise der Bürgerschaft hauptsächlich darauf zurückzuführen sei, daß die Meinung herrscht, es käme schließlich überhaupt kein Neubau zustande und nur ein Umbau, für den man eben kein Geld geben will. Man glaubt, daß eine Gruppe im Gemeinderat und der Dezernent des Stadttheaters daraufhin arbeiten. Hier müsse Klärung geschaffen werden. Dies könne durch ein Gesuch an Gemeinderat und Gemeindevorstand geschehen mit der Bitte, die Ausführung des Beschlusses über den Umbau des Stadttheaters unter der Bedingung hinauszuschieben, daß der Theaterverein einen entsprechenden Beitrag für den Neubau leistet. Auch Rechtsanwalt Dr. Böckel bestätigte, daß man vielfach jene Gegenströmung fürchtet, die einen Umbau wünscht, und kritisierte dann einzelne Vorschläge und Bestimmungen des Statuts. 1. Bürgermeister Dr. Fuchs hielt die Anregung des GM. Beyer für sehr gut. Zur Aufklärung über die Frage, wie es eigentlich mit dem Umbau steht, bemerkte er, daß sich allerdings der Dezernent Stadtrat Schietrumpf, der durch eine Reise verhindert ist, hier zu erscheinen, sehr lebhaft mit dem Projekt beschäftigt, während er, Dr. Fuchs, dagegen entschieden für einen Neubau sei. Wenn nach Klärung der Platzfrage Jena dazu kommt, ein schönes Volkstheater zu schaffen – ein Hoftheater könne man in Jena nicht brauchen – , so wird das für alle Kreise der Bevölkerung ein Vorteil sein. Wünschenswert sei es, daß sich für den Neubau die Stadt möglichst mit dem Theaterverein einen künstlerischen Beirat sichert, weiter aber empfehle es sich vielleicht, den Zeichnern möglichst entgegenzukommen, dadurch, daß man ihnen Raten, ev. auf mehrere Jahre verteilt, gestattet. Auch an die zeitige Gründung und Speisung eines Betriebsfonds müsse man denken, ebenso in der Presse für den Neubau wirken und überhaupt rasch und entschieden vorgehen. Nach weiteren Bemerkungen der Herren Geschäftsleiter Max Fischer, der unter Hinweis auf den Volksbadverein für ein beschränktes Mehrstimmrecht sich aussprach, GM. Buchbindermeister Berlinghoff, Redakteur Rudolph, Rechtsanwalt Dr. Böckel, Regisseur Peschel, Dr. R. Schröder faßte der Vorsitzende Geheimrat Linck, der selbst wiederholt das Wort ergriffen und bezüglich des Statutenentwurfs Erfüllung einzelner Wünsche zugesichert hatte, anderen dagegen wie bezüglich des Mehrstimmenrechts, entgegengetreten war, das Ergebnis der mehrstündigen Aussprache, von der hier nur einiges wesentliche herausgegriffen werden konnte, dahin zusammen, daß die Versammlung einverstanden ist, daß 1) der Ausschuß die Bitte um Einzahlung der gezeichneten Beiträge erläßt, 2) der Ausschuß mit einer entsprechenden Anfrage wegen des Neubaues an die Gemeindevertretung herangeht, 3) daß etwa im April eine konstituierende Versammlung einberufen werden soll.
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- 1913