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- 240. Jahrgang
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Eine Anfrage an den Vorstand des Jenaer Kunstvereins. Anläßlich der zurzeit im Kunstverein ausgestellten Bilder von Erbslöh und Kanoldt sei es mir gestattet, im Namen des kunstliebenden und kunstsuchenden Jenaer Publikums die Frage an den Vorstand unseres Kunstvereins zu richten: wie lange man uns noch zumuten wird, derartige Proben Futuristischer Kunstverirrung zu bewundern!? Noch ist die „Einführung“, die diese „höchste und letzte Ausdrucksweise künstlerischer Ziele“ von berufener Seite für den verständnislosen Laien notwendig macht, wie sie uns in geistvoller Weise gelegentlich der verschiedenen futuristischen Ausstellungen des letzten Jahres zuteil wurde, nicht erfolgt, noch hat man uns nicht „von höherem modernen künstlerischen Standpunkt aus“ klar gemacht, daß Farbe und Linie zu den von der Kunst überwundenen Dingen gehören!! Der Autoritätenglaube ist leider in unserer Zeit noch stark genug, um den Zuhörer zu düpieren und an seinem eigenen Kunstempfinden irre werden zu lassen! Ein Zurückgreifen auf die allerprimitivsten Anfänge längst überwundener Kulturepochen mag für den schaffenden Künstler selbst sehr interessant, sehr lehrreich sein – derartige Versuche aber gehören ins Atelier und nicht in eine öffentliche, den Kunstgeschmack des großen Publikums beeinflussende Ausstellung! Sehr lehrreich für diese Apostel einer neuen Kunst ist die psychologische Skizze „Der Maler des Häßlichen“ (der Name des Autors ist mir eben nicht gegenwärtig), die ein Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn behandelt, da ersterer kein Verständnis für die naturalistische Kunstrichtung des Sohnes hat. Für die vom Publikum zurückgewiesenen Bilder findet sich stets in der letzten Stunde noch ein anonymer Käufer, so daß dem Künstler der Kampf mit der Not des täglichen Lebens erspart bleibt. Nach Jahren führt ihn der Tod des Vaters in die Heimat zurück. In einem Saal, dessen Schlüssel der Verstorbene nie aus der Hand gegeben, findet er die Wände mit den Erzeugnissen seiner Kunst bedeckt und die Anhäufung des Häßlichen überwältigt ihn. Der Millionär Erbslöh, dem es ja seine Mittel erlauben, könnte vielleicht das Experiment machen, ein eigenes Kunstmuseum zu errichten, das ausschließlich Bilder der von ihm vertretenen futuristischen Kunst enthielte, um die Massenwirkung zu erproben. Das Ergebnis, daß „den Herren vor ihren eigenen Bildern graut“, wäre jedenfalls nicht ausgeschlossen! Zum Schluß möchte ich die Hoffnung aussprechen, daß das gebildete Publikum, d. h. alle diejenigen, welche das Recht der eigenen Meinung für sich beanspruchen, den moralischen Mut habe, sich zu einem Massenprotest aufzuraffen gegen derartige unkünstlerische Darbietungen, und falls dieselben fortgesetzt werden, den Besuch der Ausstellung zu boykottieren. S–r.
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- 19. Januar-12. Februar: Adolf Erbslöh, Alexander Kanoldt