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- 241. Jahrgang
- Januar
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Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 8. Dez. Otto Richters schöne Bronzen, vierundvierzig an der Zahl, deren vornehmer dunkler Ton durch eine Umgebung grünender Gesträuche wirksam gehoben wird, sind größere und kleine Plastiken, freistehend oder in Reliefmanier, höchst dekorativ in der Linienführung und fesselnd durch seine Einzelheiten. Sie sehen in den Aktfiguren von einem stoffgebundenen, der platten Wirklichkeit ängstlich angeschmiegten Realismus ab, der ja auch der Kleingestaltung wenig entsprechen würde. Aber die straffen, prachtvollen, der Zufälligkeit entrückten Frauenkörper, die klassisch ebenmäßige Jungmännergestalt, wie der Künstler sie hinstellt, haben keine Spur von falscher Idealität an sich. Der Ernst abgetaner Kämpfe, die hart und schwer waren, liegt in Antlitz und Haltung der Heldenstatue in Waffen, die „Dem Sieger“ heißt und auf der flachen Hand eine kranzspendende Nike trägt. Geht diese Gestalt gehalten und entlassen gleichsam einem zu grüßenden Ueberwinder entgegen, so eilt die liebliche Mädchenfigur des Glücks, ein zartes Schwesterlein der Nike des Paionios, mit einem leise goldschimmernden, geschwungenen Zweige halbfliegend auf irgend jemanden zu, so froh, so übereifrig, daß sie es darf. Das „zweischneidige Schwert“ steht in der Hut einer Jungfrau, die etwas von der Ruhe einer wunderschönen Blume hat. Außerordentlich fein wirkt die „Erwartung“, das lauschende, spähende, junge Weib, das mit der Rechten den großen Hund hält, während in den leicht gekrümmten Fingern der Linken die beherrschte Erregung des Körpers und der Seele auszittert. Eine große Keuschheit liegt über all diesen Akten, umweht auch die zierliche Tänzerin und den weichen und noch sehnigen Leib der knienden Bogenschützin. Herausfordernd, die Arme übereinandergeschlagen, steht die „Schauspielerin B.“ da, sie hat den Monna Banna-Mantel von der Pracht ihrer Glieder nicht heruntergleiten lassen, sondern abgeworfen „car tel est mon plaisir“. – Für die monumentale Ruhe, das Insichgeschlossene, Rätselhafte des Tieres hat Otto Richter ein subtiles Verständnis und Wiedererschaffungsvermögen. Da ist der prächtige Hund der „Erwartung“, der Tiger in seiner straffen Katzenhaftigkeit, die schwere Gestalt des „Shirehengstes“ mit den bemähten Hufen und dem trägen Leuchten des durch ein wenig Kupfermasse aufgehöhten Auges, endlich das tanzfrohe, edle Tier, das der „Reiter am Morgen“ nur eben zügelt. Im Gegensatz dazu die müden, leidvoll abgespannten, von der Stimmung ihres Herrn, der die Blutstropfen im Schnee anstarrt, überschatteten Rosse Parzivals auf dem großen Relief. Mit geringen, fein abgewogenen Mitteln ist über das Ganze ein Hauch träumerischer Trostlosigkeit und sturmverwehten Umherirrens gebreitet, der den Beschauer tief in seinen Bann zieht. Licht und heiter wirken die kleineren Reliefplastiken „Ackerbau“ und „Heimkehr vom Markt“, besonders die letztere mit dem gehörten Haupt der Kuh, das sich so lustig und zärtlich über den Rücken ihrer Nachbarin schmiegt, und dem kleinen Hunde, dessen sehr natürliches Tun die linke Bildecke niedlich und schalkhaft abrundet…. Reich und mannigfaltig fließt die schöpferische Ader dieses Künstlers. Man möchte sich sein Arbeiten so vorstellen, wie Rainer Maria Rilke in einem anmutigen Fantasiegebilde Rodins fleißige Morgenstunden schildert: „Glücklich, wie mit guten Nachrichten, tritt er bei seinen Dingen ein und geht auf eines zu, als hätte er ihm etwas Schönes mitgebracht. Und ist im nächsten Augenblick vertieft… und fängt an und ergänzt und verändert hier und dort, als ginge er, durch das Gedränge, dem Ruf der Dinge nach, die ihn nötig haben.“ – Von dem Maler Ewald Manz, der durch einige Tafeln an der hinteren Querseite des Oberlichtsaales Buntheit spendet, möchte heute nicht viel gesagt werden. Es ist bekannt, daß er Kraft und Wagemut besitzt, den Dingen zuleibe zu gehen, aber er steckt noch tief in impressionistischen Uebergangsstadien und dem der Jugend eigenen Wonnegefühl, es „nun gerade“ anders zu machen, als der Farbensinn und das Harmoniebedürfnis des menschlichen Auges die malerischen Werte gestaltet haben möchte. Das wird man ihm eben lassen müssen; uns aber muß er erlauben, daß wir nicht zu lange hinsehen. […]
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
- Rubriken Kunst
- 1914