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Die Farben alter und neuer Bilder. In der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ befaßt sich M. Posener mit der Frage, warum sich die alten Bilder bis heute noch in ihren Farben frisch erhalten haben, die Bilder der neueren Künstler dagegen so rasch verbleichen und schlecht werden. In einem Briefe Albrecht Dürers vom Jahre 1509 (an Jacob Heller) sagt der Meister, er habe für das Bild schon für 20 Gulden Ultramarin verbraucht. „Die Tafel ist mit guter Ultramarin unter-, über- und ausgemalt, etwa 5 bis 6 Mal, danach noch zwiefach übermalt, und ich weiß, daß sie 500 Jahre sauber und frisch sein wird. Gemeine Gemäl will ich ein Jahr ein Haufen machen. An solchen mag ich dann wohl etwas gewinnen.“ Er hatte nämlich für das erwähnte Bild Jahre gerbraucht. Zwei Dinge führt Dürer an für die solide Ausführung des Bildes: gutes Material und eine gute Methode. Beides ist uns abhanden gekommen. Die Tradition in der äußeren Technik, in der Bereitung des Materials und in seiner Verwendung, die alle Künste als kostbares Erbe weiterführen, um darauf zu bauen und sich fortzuentwickeln, ist gewissermaßen im Uebermut gerade in der Malerei aufgegeben worden, so daß die modernen Künstler ihr Handwerkszeug nicht kennen und nicht ordentlich beherrschen. Das Material wurde zu Dürers Zeit von den Künstlern selbst bereitet nach einer durch lange Erfahrung gewonnenen Kenntnis der haltbaren Farben. Es waren dies nur wenige Farben. Die Palette war äußerst bescheiden, da die aus der Erde gewonnenen Erdfarben (Ocker, hell und dunkel, Eisenoxyd, grüne Erde, roh und gebrannt, Terra di Siena usw.) und einige wenige andere, wie Krapp, Ruß- und Beinschwarz, sowie Weiß den ganzen Reichtum bestreiten mußten. Ultramarin war echt, d. h. aus pulverisiertem Lapis lazuli gewonnen. Ebenso wurden die Bindemittel und die Untergründe auf das genaueste studiert und ausprobiert, um ein Reißen oder Verändern der Farbe zu vermeiden. Mit diesem Material nun wurden, wie Dürers Brief zeigt, die Bilder in einer sowohl für die Erhaltung der Farbe als auch für die innere Leuchtkraft geeigneten, raffiniert gestalteten Technik hergestellt. Es wurde erst die Zeichnung grau in grau zart und genau auf den Untergrund gemalt, durch dünne, geschickt berechnete Lasuren nacheinander die Farbeneffekte erzielt und zu gleicher Zeit für ein gleichmäßiges Trocknen gesorgt. Eine langsam trocknende Schicht zum Beispiel wurde nicht etwa, wie das heute oft aus Unwissenheit geschieht, mit einer schnell trocknenden übermalt, so daß die überdeckte, langsam trocknende Schicht durch ihren erst später eintretenden Trockenprozeß die darüberliegende auseinanderreißen muß. (Selbst ein so kostbares Bild wie Menzels „Flötenkonzert“ ist auf diese Weise vollständig verdorben worden.) Der moderne Maler nun malt im allgemeinen auf einem von ihm beim Fabrikanten gekauften Leinengrunde, dessen Zusammensetzung ihm unbekannt ist; er malt mit Farben, die auf chemischem Wege hergestellt, in tausend Nuancen auf den Markt kommen. Damit diese Farben sich halten und nicht zu rasch in den Bleituben trocknen, sind sie mit allem möglichen versetzt: mit Hammelfett, langsam trocknenden Oelen, Wachs usw. usw. Mit diesem Material nun arbeitet er darauf los, ohne jede klug berechnende Methode. Er malt dick und dünn, lasiert auf langsam trocknende Schichten mit schnell trocknenden Mitteln, deren genaue Zusammensetzung er auch nicht kennt, mischt Farben zusammen, die sich gegenseitig chemisch zersetzen, z. B. Kadmiumgelb mit Kupferoxydgrün oder Ultramarin mit Neapelgelb usw. Weil die Zeit drängt, gibt er sich keine Mühe, das gute Durchtrocknen zu beobachten; kurz „gemeine Gemäl mache ich ein Haufen im Jahr“, sagt Dürer. – Allerdings sind heute schon viele Künstler dahintergekommen, daß es so nicht geht. Die Ausstellung der Bilder aus dem Anfang der 70er Jahre zeigte die schaudervollen Verwüstungen, die die Malerei erlitten hatte, in den „schwarzen Schinken“, die da zu sehen waren. Daher fängt man jetzt schon in vielen Punkten an, zu suchen, zu probieren und solidere Mittel zu finden. Es werden Temperafarben als Untermalung verwendet, die Farbenfabrikation wird von Künstlern überwacht. Besonders die Weimarer Kunstakademie läßt in ihren Räumen unter Aufsicht ein sehr brauchbares, möglichst reines Material bereiten. Auch gibt es jetzt schon viele Prüfungsstellen (München, Wien usw.), von denen Nachrichten über technisch wichtige Einzelheiten an die Künstler kommen. Aber noch steht es schlimm genug um die Solidität der neuen Bilder, und als Zeichen dafür, wie sehr ein Heilmittel bei einer allgemein verbreiteten großen Krankheit noch immer gesucht wird, gelte die Tatsache, daß es mindestens 20 verschiedene Erfinder gibt, die ihr Mittel als das einzige und beste anpreisen, alle von Malern mit leichtfertig erteilten guten Zeugnissen versehen. Zwar sind an allen viele Vorzüge und Fortschritte zuerkennen; dennoch kann man es nicht wagen, unbedingt zu vertrauen, bis nicht eine größere Probezeit verstrichen ist, worunter nicht Monate, sondern viele Jahre verstanden sind. So sind „sehr gute“ Teerfarben nach einigen Monaten ganz wenig ausgeblichen, kaum merklich! Wie hell werden die aber sein, wenn Jahre vergangen sind! Mit Dürer kann man von diesen nicht sagen, daß sie 500 Jahre frisch sein werden.
- rubric
- Kunst und Wissenschaft
- Rubriken Kunst
- 1913