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Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 5. Dez. Weihnachtsausstellung Weimarer Künstler. II. In den kleinen Hinterräumen des 2. Stockes im Kunstgewerbemuseum haben die Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen und graphischen Arbeiten ihren etwas abgelegenen, aber nicht übel beleuchteten Zufluchtsort gefunden. Wer den Aufstieg nicht zu scheuen braucht, soll ihn ja nicht versäumen; „auch hier sind Götter“, nämlich fröhliche Schaffende, die sich eine Welt im Kleinen gestaltet haben. Manches mutet wunderlich genug an, so das übrigens allerliebste, farbenfröhliche Aquarell „Füße“ von Walter Herricht. Wirklich eben nur zwei Mädchenpfötchen, in Strümpfe und Schuhe nett adjustiert, sieht man auf der kleinen Tafel. Oder die graue verschwollene Alte, „Nickelmanns Frau“, verschlafen oder tot, deren Kopf Otto Herbicht verblüffend unheimlich in Kreide gezeichnet hat. Oder Briesländers barocke Pünktchenbilder in Federzeichnung. Da ist „der Geiger“ auf dem einsamen Berge, eine Gestalt wie von E. F. A. Hoffmann geschaut, und der Berg ganz bewachsen mit Herbstzeitlosen, die eine Art stilisiertes Schwarzweißmuster bilden! Und auf dem Bilde nebenan wandeln Pierrot und Colombine, gleichfalls ganz Pünktchenmuster und gespensterhafte, gedrechselte Zierlichkeit, im Roccocogarten. Ein großes Können im Dienst einer gewollten Verzwicktheit. Wie wundervoll natürlich wirkt dieses Können ohne die seltsame Technik in dem Blick auf „Notre Dame de Paris“, den Vriesländer ein andermal zeichnet, oder in dem Blatt mit dem toten Huhn! – Unter den Zeichnungen mit Kreide, Kohle, Feder ist viel Charakteristisches. Otto Pankoks „Alter Holländer“ in seinem harmlosen Stumpfsinn ist ein Vergnügen anzusehen. Sein „Rosengarten“ dagegen läßt uns über das Verhältnis der naturgroßen Blüten im Vordergrunde zu dem Zaun und Häuschen in bildhafter Verkleinerung nicht recht ins Klare kommen. Heinrich Stegemann besitzt in hohem Maße die Kunst, eine Stellung oder Bewegung oder „das Gesicht, das jemand macht“ wie im Fluge festzuhalten; so bei dem „Raucher“ auf dem Studienblatt. Fritz Köhler erfaßt und bannt mit derselben Raschheit das Berliner Straßen- oder Brückenbild oder die Augenblickseindrücke vom Hamburger Hafen. In romantisch-verträumte Stille sind die äußerst reizend ausgeführten Federzeichnungen „Stadtmauer in Nördlingen“ und „Fenster in der Ruine Rechberg“ von Fritz Reichenbecher getaucht. Hopffgartens „Heidelandschaft“, „Birken“, „Felder im Herbst“ fesseln durch die Feinheit der Technik und die tiefe Einfachheit. Margarete Bittkow bringt eine Hügellandschaft mit sanften Linien. Der „Parkweg“ von Gertrud Stark ist ein anmutiger Ausschnitt, und wir Weimaraner suchen uns im Geist den schönen Baum, der hier porträtiert ist. – „Goethes Gartenhaus“ sehen wir in einem Aquarell von Paul Moritz diesmal auf dem goldigen Hintergrund des Herbstes. Ein Stückchen Alt-Weimar in Pastell bringt Paul Teichgruber, es ist eine Art Dachstudie aus der Böttgergasse in warmer Beleuchtung. Und in bräunliches Verdämmern ist die schöne, weiche Lithographie „Donndorfbrunnen bei Abend“ gehüllt, mit der A. M. Müller eine der reizvollsten Arbeiten geliefert hat. Wie dort die Dämmerung, so ist auf den beiden Döppner´schen Aquarellen aus Erfurt die Spätnachmittagssonne mit ihrer vergoldeten Vertiefung der Farben „des Tages Königin“. Wie leuchtet das alte Gemäuer! Die Radierungen von Georg Greve-Lindau enthalten ebenso fesselnde wie technisch vollendete Sachen. Der in sich gekehrte „Reiter im Wald“ – die „Soldaten im Morgengrauen“, der „Rückzug“ usw. Die beiden letzten haben ganz winzige Figürchen, die dennoch in Bewegung und Abtönung vollkommen die Stimmung herausbringen, welche über dem Ganzen liegen soll. Sehr schön wirkt „An der Regnitz“ in seiner schattenhaften Nebelweichheit. Diese Blätter, mit „selbst gedruckt“ bezeichnet, werden vielleicht einmal sehr kostbar werden. – Feine Arbeiten sind die Lithographien von Paule Henneberg: die kleinen Einzelheiten von Schloß Mainberg, die sei gibt, außerdem von großem poetischen Reiz. – Noch Manches gäbe es zu erwähnen; das wird jedem Kunstfreunde der persönliche Besuch der Ausstellung beweisen. […]
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1912