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2. Blatt
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Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 1. Dezember. […] Einen frischen Weihnachtsstrauß aus Künstlerhänden bietet die eben eröffnete Ausstellung im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Viel Feines, Wohltuendes und Besitzenswertes ist da vereinigt. Der Frühling ist von den Toten auferstanden, M. Schmidt-Franken hat ihn an blauduftiger Hügelkette und unter noch halbschlummernden Bäumen belauscht, im Park zu Weimar ist er E. A. Schmidt begegnet, und Karl Röhl hat ihn am Teich erglänzen sehen. Heiter wogt die „blühende Wiese in Thüringen“ mit ihren tausend bunten Kelchen von Wilma von Orlich. Zur Sonnenhöhe führt Fritz Reichenbecher´s Sommertag, sein Ausschnitt „am Hexenberg“ und Ludwig v. Jordans prächtige, üppige „Gartenecke im Juli“. Die Blutbuche zwischen dem sommersatten Grün des übrigen Laubes wirkt hier besonders eindrucksvoll, rote Blumen brennen im Vordergrunde, auf den Beeten wuchert es in Unbändigkeit, und zwischen Busch und Strauchwerk lauscht ein feines Figürchen, in Hellblau gekleidet. Tief in den Bergwald, zwischen Felsen und Stämme hinein wandern wir mit Max Asperger; entzückend anmutig wirft die Sonne ihre Goldfleckchen dort auf das Moos „im Marderbach bei Dietharz“, - und die Künstlerhand hat sie lichtkräftig festgehalten. Belvedere im Herbst von Hugo Scheele führt uns in die Reize der engeren Heimat zurück, Moritz Rusche vertieft sich stillnachdenklich in eine arme und doch stimmungsreiche Natur „am Sandberg“ und „in der Heide“. Eine eigentümliche, fast zu körperhafte Spiegelung „am Saaleufer bei Jena“ müssen wir Magdalene Uhlin glauben und haben auch den guten Willen dazu. Wie verschieden Beleuchtung und künstlerisches Temperament einen und denselben Vorwurf gestalten können, dafür sind die Darstellungen des „Hamburger Hafen“ von Fritz Köhler und Schmidt-Stieler ein merkwürdiges Beispiel. Hier das still-graue, dennoch der Leuchtkraft und Durchsichtigkeit nicht entbehrende Meer mit den verdämmernden Schiffen, dort ein Schimmern und Wallen und Glühen der in Buntheit erstrahlenden See, auf der verzaubert Fahrzeuge zu schaukeln scheinen. Alle Kühnheit der modernen Technik ist hier in Kraft getreten, berückt und fesselt fast wider Willen. – Aehnlich fremdartig und wie in eine andere Welt gerückt wirken Georg Greve-Lindau´s „Vorüberziehende Menschen“ – ein schattenhaft verblauendes Großstadtbild mit kahlen Bäumen und Spätherbststimmung, nur aus großer Entfernung zu würdigen – ebenso wie dieselben Künstlers sonnentrunkene „Badeanstalt“. Ganz scheußlich wirkt der realistischen Absicht des Künstlers entsprechend, Otto Herbigs „alter Mann“; zu Weihnachten wird ihn sich keiner wünschen, außer wer sich eine Sammlung von Schnapsbrüdern anlegen wollte. – des Maler-Bildhauers Heinrich Stegemann kraft- und würdevoller „Beduine“, Gotthold Krippendorfs ehrlicher „Rhönschäfer unter seiner Herde“, sowie die junge Bretonin der Natalie v. Buddenbrock und Herrichts merkwürdige „alte Frau“ in Tempera erschöpfen wohl das Interesse am Figürlichen, das der „kniende Mädchenakt“ von Ewald Manz mit seinen dicken, schwarzen Ameisenlinien sich nicht zu gewinnen weiß. Außerordentlich sympathisch und sehr gut gemacht sind mehrere Interieurs, so recht die Art kleiner Kabinettsstücke, in die der Eigentümer sich immer wieder mit neuer Liebe hineinsieht, die man also vorwiegend gern besitzen würde; so Metzeroths „Grünes Zimmer“ mit dem gemütlichen Biedermeiersofa, der Kugellampe, der Wanduhr, dem wohlgefühlten Bücherständer und dahinter dem Durchblick in das blauverhangene Schlafstübchen. Oder Hans Bauers Diele mit dem Kämmerchen, durch dessen Fenster goldnes Spätnachmittagslicht bis tief in den ganzen Raum hineindringt und einen fein beobachteten, ganz aparten Glanz auf dem Lack des Fußbodens und der Türen weckt. – Was birgt der Oberlichtsaal des Museums noch weiter? Ein paar gute Porträts (Fechner, Friedeburg, Stegemann). A[???] Stilleben Bittkow, Metzeroth; dann betrachtenswerte Skulpturen. Die Bildwerke Erich Haases und Stegemanns voll Kraft und Lebendigkeit, Dahlkes hieratisches Holzbild des hl. Christophorus ein eigenartiges Produkt, dessen Entstehungsgeschichte man wissen möchte.- Viel Glück und fröhliche Weihnachten dem fleißigen und begabten Künstlervolk, all den Ausstellern, die jeder Geschmacksrichtung etwas bieten, und die zum größten Teil mehr als bescheidene Preise für ihre Werke angesetzt haben! – Es sind ja auch meist die Arbeiten von Schülern, die ihren ersten Weltflug machen.
- rubric
- Skizzen aus der Landeshauptstadt
- Rubriken Kunst
- 1912