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- Jenaische Zeitung :...
- 239. Jahrgang
- Dezember
- Nr. 284 : Mittwoch,...
- Kunst-Ausstellung: ...
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Jenaer Kunstverein (DR), (DKR), (WR), (NSD/NS), (DDR), (BRD), (20.12.1903 - 1937; XX.02.1990 -)
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2. Blatt
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Kunst-Ausstellung. Die Porträtausstellung. Deutlicher als Worte es könnten, zeigt die Gegenüberstellung von Bildnissen und Bildnisstudien lebender und verstorbener Künstler verschiedenster Art, wie es wahrlich nicht auf die Methode der Malerei, sondern auf die künstlerische Kraft und das Können bei der Anwendung der Methode ankommt. Unter den älteren Werken steht das Portrait des berühmten Berliner Chirurgen von Bardeleben von Karl Stauffer voran. Daß es im rein malerischen Sinne unzureichend ist, wurde zu Stauffers Lebzeiten fast noch mehr empfunden als heute. Denn damals gab es nur einen kleinen Kreis, der die ganz ungewöhnlichen zeichnerischen Eigenschaften des Schweizer Künstlers richtig einzuschätzen wußte. Heute, wo sich mehr und mehr die Erkenntnis verbreitet hat, daß wir bis zu den größten Meistern der deutschen Vergangenheit zurückgehen müssen, um eine so seltene Zeichenkunst zu finden, heute setzen wir uns gern über die malerischen Mängel hinweg und bewundern die große einheitliche und dabei einfache Auffassung der Form, die eindringende zeichnerische Wiedergabe, die bis in das Kleinste und Einzelne geht, und dabei nie den Zusammenhang mit dem Ganzen verliert, und endlich die kraftvolle, schlichte und dabei schlagende Charakteristik. Auch Graf Kalckreuth geht noch im wesentlichen von einer zeichnerischen Auffassung der Form aus, aber die farbige Haltung des hier ausgestellten vorzüglichen Frauenportraits zeigt doch einen sehr großen Fortschritt nach der rein malerischen Seite hin. Das Bild würde noch viel glücklicher wirken, wenn das Rot des Hintergrundes nicht mit dem Rot der Wand zu kämpfen hätte. Erst Max Liebermann steht vollständig auf einem neuen Boden. Es ist das erste Mal, daß dieser große Meister in Jena Werke seiner Hand zeigt, wir können nicht dankbar genug dafür sein. Liebermann war schon lange ein gefeierter Künstler, als eine Hauptseite seiner Tätigkeit, die Portraitmalerei, noch nicht allgemein anerkannt war, und doch hatte er – es mag zwanzig Jahre her sein – ein Portrait Rudolf [K]irchow’s, das zu den allervortrefflichsten Leistungen der Modernen Kunst gehört. Von den beiden in Jena ausgestellten Arbeiten ist namentlich das Bildnis des Geheimrats Emil Ra[th]enau ein vollgiltiger Vertreter von Liebermann’s Kunst, bei welchem Form, Bewegung und persönlicher Ausdruck untrennbar einheitlich erfaßt und ebenso einheitlich malerisch wiedergegeben sind; dazu ist es von überraschender, lebendigster Aehnlichkeit! Wieder in eine ganz andere künstlerische Welt führt uns das Portrait von Hodler. Selbst wer mit seiner Kunst schon glaubt vertraut zu sein, und das Höchste von ihr erwartet, wird doch davon überrascht sein, daß es möglich ist, diese große, einfache, alles andere bändigende Wirkung zu verbinden mit einer reichen und ausführlichen Darstellung der Körperlichkeit und des innersten Wesens einer einzelnen Person. Hier liegt die größte Intensität der Beobachtung und des Eindringens in Form und Wesen zu Grunde, und eine straffe Gestaltung, die mit letzter Entschlossenheit alles in einem großen, strengen Aufbau vereinigt. Das Bild thront als unbedingter Herrscher in der Ausstellung. Von den anderen Künstlern der heutigen Generation halten sich dagegen fast die extremsten am besten. Voran vielleicht Pechstein mit dem großen Portrait eines jungen Mannes, in deutlich groß angelegter Ordnung der Farben, des köstlichen Gelb gegen Blau und Grün. Kirchner, der auf einer der früheren Ausstellungen der „Brücke“ hier neben Pechstein in erster Linie stand, hat auch diesmal ein Bild, dessen Zauber wohl auch der strengste Akademiker sich nicht entziehen wird: Das große Damenbildnis, ganz in seinen Blaugrauen und schwärzlichen Tönen gehalten, gegen die das Grün und das Rosa so zart und weich und doch absolut nicht süßlich wirkt! Auch das andere Bild, wo die geschlossene Fläche des dunkelblauen Kleides auf grünem Grunde steht, und Rot und Braun in bescheideneren Flächen sich dazu gesellen, wird der genießen, der sich an die sehr weitgehende Vereinfachung der Gesichtszüge gewöhnen kann. Etwas schwer wird mir das freilich auch noch. Gar nicht gelingt es mir in der Graphik Steckels, doch nehme ich davon die „Müde Tänzerin“ und die „Kopfstudie“ aus, und das in Grün gehaltene Gemälde scheint mir zu den vorzüglichsten Malereien der Ausstellung zu gehören. Umgekehrt ist Schmidt-Rottluff diesmal, besonders erfolgreich in seinen wirkungsvollen graphischen Arbeiten, während das große Bild sich dem Plakat in bedenklicher Weise nähert. Von den Mitgliedern der „Brücke“ ist noch O. Müller mit zwei seiner, aber nicht sehr starken Porträts vertreten. Kuno Amiet, der uns von seiner großen Ausstellung her in Erinnerung ist, sandte eine große Anzahl von Arbeiten, die ausnahmslos Proben seiner meisterlichen Malerei zeigen. „Malerei“ hier im eigentlichsten Sinne verstanden: die Erscheinungswelt farbig empfinden und in zusammenhängender Weise in Farben wiedergegeben. Vielleicht kommt dabei für das Porträt das Psychologische etwas zu kurz. Um so köstlicher sind Blätter, wie das liegende Mädchen, die kleinen Landschaften oder die nackten Mädchen. Giacometti gewinnt der Persönlichkeit etwas mehr ab. Das beweist vor allem der schöne Frauenkopf. Gerade hier scheit mir der Zusammenhang zwischen dem tiefen Blau des Kleides und den roten Tönen nicht vollständig hergestellt zu sein. Auch er hat außerdem einige köstliche Aquarelle ausgestellt. Professor Max Thedy ist hier und in Weimar rühmlichst bekannt und geschätzt. Ich finde die vortrefflichen Eigenschaften seiner Malerei in dem Kniestück eines Herren weniger wieder als in dem Kopf eines jungen Künstlers, der Landschaft und namentlich dem Interieur. Ebenso hat August Macke in Bonn wieder mehrere seiner vortrefflichen Arbeiten gesandt. Erich Kuithan hat, seit wir ihn nicht mehr bei uns gesehen haben, einen überraschend großen Schritt aufwärts getan. Der ganz Aufbau seines Bildes, die Bewältigung des Raumes und ganz vortrefflich, die Linien groß und einfach gesehen. In dem Bedürfnis, das Bild reichfarbig zu gestallten, hat der Maler wohl etwas zu viel getan: ein gelbgemusterter Vorhang, ein großes schwarzweißes Muster auf der Taille, ein rotes Muster auf dem Kleid, dazu noch die blauen und blaugrünen Flächen, das nimmt dem Bilde etwas, die schöne Ruhe, die durch die Komposition mit so viel Erfolg erarbeitet war. Unter den Arbeiten von H. Müller in Basel, die alle einen etwas schweren, dunklen Farbenklang haben, ragt das Bildnis einer sitzenden Dame durch Größe der Auffassung, durch eine fast monumentale Haltung, Breite des malerischen Vortrags hervor, und von größtem Zauber ist die Komposition: „Frauen am Strande“. Die Köpfe von Zernin, welche mit den Namen der Temperamente bezeichnet sind, sind sehr fleißige Studien nach Modellköpfen, gut bis in die Einzelheiten der Form mit der Farbe durchmodelliert, wie sie sich in den Studienmappen jedes fleißigen Malers finden oder finden sollten. Künstlerische Gestaltung ist noch nicht darin. Außer den Bildnissen sind Landschaften von Hans Berger ausgestellt. Kleine Studien von ungewöhnlicher Kraft der ganz eigen empfundenen Farbe. Das schönste die Landschaft bei Avignon. Fräulein Marta Bernstein sandte das Porträt eines jungen Mannes, eine ernsthafte Arbeit, die auch in dem Kopf, dessen Aehnlichkeit mir bezeugt wird, eindringende und kräftige Zeichnung sowie breite Malerei enthält. Aber die Gestalt, namentlich der malerisch nicht ganz bewältigte graue Rock, ist noch nicht ganz geglückt, und vor allem ist die freilich sehr schwierige Aufgabe der Verbindung der Figur mit der Architektur dahinter noch nicht gelöst. Zum Schluß eine Bitte an die Zeiß-Stiftung: Je besser die Kunst, die uns gezeigt wird, desto deutlicher zeigt sich die Unzulänglichkeit des Raumes. Unbehaglich in den Verhältnissen, roh in der Lichtzuführung, unlüftbar, und Zimmer nur eines, so daß man Graphik auf den Boden unter die farbigen Bilder stellen muß oder auf Tische in die Ecke legen. Wer sollte denn da das Wehen des Genius in der Munch-Ausstellung auf den Blick spüren! Es ist Zeit, die beiden einspringenden Ecken neben dem Treppenhaus bis in die Höhe vollzubauen. Unten werden erst einmal die ewig stinkenden Toiletten von Grund auf umgeändert. Schämt sich denn niemand, wenn elegante Leute zu einem glänzenden Fest das Volkhaus betreten, und das erste, was sie begrüßt, ist Abortgeruch! Darüber kommen in die Etage zwei bezaubernde Konversationszimmer, in die sich die unsere Damen zurückziehen in Konzertpausen und bei Festen, wenn die Tische ausgeräumt werden. Und oben endlich gibt es ein Zimmer für Graphik, Kleinkunst und ähnliches auf der einen, und ein Bureauzimmer auf der anderen Seite! B. Graef.
- rubric
- Kunstverein/Ausstellung im Kunstverein / Kunstausstellung
- Rubriken Kunst
- 17. November-11. Dezember: Porträt-Ausstellung u.a. Karl Stauffer, Leopold von Kalckreuth, Max Liebermann, Ferdinand Hodler, Hermann Max Pechstein, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Cuno Amiet u.a.