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Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.A. Weimar, 20. Nov. […] In dem Museum am Karlsplatz ist eine Ausstellung von Prof. Max Thedy, die das Entzücken des Teiles der Weimarer Kunstfreunde ausmacht, die Freude an Bildern haben, die mit Liebe und Andacht gemacht sind und in denen sich Talent und Fleiß vereinen, um wahre Kunstwerke zu schaffen. Wir haben seit Jahren Thedys Arbeiten verfolgen können und beobachtet, wie er an sich arbeitet, wie er immer vorwärts geht, wie er vom Neuen annimmt, was zu seinem Stil paßt und ihm gut erscheint. Er hat sich eine Farbenfreudigkeit geschaffen, die trotz aller Kraft nie ins Grelle ausartet, es liegt über seinen Bildern eine Harmonie, eine Ausgeglichenheit der Töne, die einem sehr wohl tut. Wie schön ist z. B. das durch ein großes Fenster von oben hereinfallende Licht auf der „Kesselputzerin“. Das wundervoll ausgeführte Bildchen könnte für das Werk eines alten Holländer Meisters gelten. Wie unbeschreiblich anziehend ist die Nymphe mit dem Krug und dem Schmetterling, betitelt: „An der Quelle“, es liegt ein poetischer Zauber über der reizenden nackten Gestalt, der einen geradezu davor bannt. Thedy hat eine geistvolle Feinheit der Technik, mit der er nicht alles gleichmäßig behandelt, sondern mit dem dickeren oder dünneren Auftrag der Farbe viel erreicht. Während die Modernen meist jeden Stoff gleichwertig behandeln, ob sie Glas oder Wolle darstellen wollen, malt Thedy die Schatten dünn und transparent, setzt dagegen die Lichter pastos auf. Eine Neuerung, die er von den Modernen angenommen, ist, daß er die Schatten nicht mehr mit dem braunen Galerieton behandelt, wie früher, sondern sie farbig erhält bis ins tiefste Dunkel. Das zeigt sich am klarsten bei seinen Landschaften, z. B. auf dem großen, noch nicht vollendeten Bilde: „Der verlorene Sohn“. Da steigern die farbigen Schatten im Mittelgrund den sonnigen Effekt des Ganzen und widerholen sich im Hintergrund in lustigerer Art. Thedy darf man wohl den Maler des Charakteristischen nennen, aber er fühlt so fein die Grenze, wo dasselbe in das Häßliche übergeht, daß einem bei all seinen Darstellungen der alten Leute aus der ärmsten Klasse nie das ausdrucksvolle und unästhetische Wörtlein „Pfui!“ auf die Lippen kommt, das leider auf Ausstellungen – mag es dem Vorwurf oder der Mache gelten – einem heutzutage so oft entschlüpft. Ueber den wundervoll gemalten alten Weibchen, deren Kleider meist nur noch aus Flicken der verschiedensten Farbe bestehen, liegt eine Stimmung der Ruhe, der Frömmigkeit und Ergebung, die den Gedanken des Unschönen gar nicht aufkommen läßt. Welch ausdrucksvollen Köpfe findet man bei den alten Männern, dem politisierenden Tischler, dem Raucher usw. Der Jäger mit der Flinte, (Kniestück) ist eines der ausgeführtesten Bilder, von dem sprechendsten Ausdruck, noch aus der älteren Zeit, in der Thedy oft sehr lange an einem solchen Werk arbeitete, während das „alte Mütterchen“ in der holländischen Haube, das aus den letzten Jahren stammt, in seiner ganzen Feinheit des Ausdrucks und der Arbeit, mit Händen und halber Figur, in der Technik der alten Meister, in fünf Stunden fertig war. Eine Spezialität von Thedy könnte man seine Interieurs nennen; darin liegt, was die älteren Franzosen – aus der Barbizonschule – unter plein air verstanden; daß man die Luft des dargestellten Raumes zu atmen scheint. (Später wurden alle im Freien gemalten Bilder so bezeichnet.) Am meisten tritt einem die Kunst Thedys bei „Kircheninneres“ auf, man meint die geschlossene, von Weihrauch durchzogene Luft zu atmen, man sieht nicht nur die betenden Menschen, man ist mit ihnen in der Kirchenbank. Auch in den Bauernstuben, bei den Durchblicken, muß man die Durchsichtigkeit der Luft, die Klarheit bewundern, die – oft ohne Sonnenstrahlen – erreicht wurde. Einige kleine Landschaften zeigen in ihrer feinen Auffassung und farbigen, durchsichtigen Luft so recht die Fortschritte unseres Meisters, z. B. „Der Dorfbach“ mit den feinen Tönen der Weidenbäume. Die „junge Hirtin“, die in ihrer einfachen Schönheit an die Franzosen der besten Zeit des vorigen Jahrhunderts gemahnt, muß noch ganz besonders erwähnt werden, sowie der weibliche Akt „Vor dem Bade“, dessen untere Hälfte nur skizziert, die obere aber vollendet vollendet ist. Das Bildnis der „Gräfin Görtz, geb. Prinzessin Wittgenstein“ hat vor Jahren schon viel Aufsehen gemacht und dem Künstler im Pariser Salon die silberne Medaille eingetragen. Es ist wohl das früheste Porträt in unserer Ausstellung, das letzte ist das der „Frau Oberkirchenrat Spinner“. Welches man bevorzugt ist wohl nur Geschmackssache, sie sind beide ganz ausgezeichnet ist Aehnlichkeit und Arbeit. Auch Pastellporträts sind ausgestellt, sowohl fein ausgeführte, wo der Grund gedeckt, als solche, bei denen die Pappe als Lokalton sichtbar ist, die außerordentlich künstlerisch wirken. Von den 54 ausgestellten Werken konnten hier nur wenige genannt werden. Da die Ausstellung durch ihre herzerquickende Schönheit ein sehr großes Publikum anzog, so konnte diese hohe Kunst vielen Herzen – die nur in Weimar ihr Bedürfnis danach stillen können – ein Labsal sein.
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1912