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- 239. Jahrgang
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- [Ernst Vollbehr]
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Eine Künstlerfahrt durch Kamerun schildert in farbenprächtigen Bildern und mit anschaulichen Worten der Maler Ernst Vollbehr im Oktoberfest von Belhagen & Klasings Monatsheften. Sonderbare Erfahrungen hat der Künstler gemacht, so wenn ein Häuptling, den er porträtierte, bat, er möchte ihm doch einen Schnurrbart malen, wie der deutsche Kaiser einen hätte, oder von zwei Bildern das en face wählte, denn es sei ähnlicher, da beide Augen zu sehen wären. Immer wurde der Maler feierlich empfangen, so auch bei dem berühmten und gleichzeitig berüchtigten Häuptling Guafo von Bandeng, der drei Reitstunden von der deutschen Felsenwarte Bamenda entfernt wohnt. Ich glaube – so schreibt Vollbehr -, ich habe noch nie etwas so Dickes und so Häßliches gesehen, wie diesen Häuptling. Er trug eine Mütze mit Hunderten, nach allen Seiten abstehenden Elefantenschwanzhaaren auf dem Kopf. Seine kleinen Schweinsaugen sahen schlau in die Welt. Seine Nase und der Mund waren so breit, daß man sagen konnte, sie gingen von einem Ohr zum anderen. In seinem Lieblingshause, dem Mimbotrinkhause, setzte er sich auf seinen geschnitzten Thron als Sitzgelegenheit an. Zwei junge, unbekleidete, schwarze Schönen, die „Dienst tuenden Frauen“, trugen seine Bronzepfeife und eine Mibokalabasse. Ich malte ihn, und als er sein Bild später sah und sich darauf erkannte, brach er in ein orkanartiges Gelächter aus. Dadurch angelockt, kamen seine 200 Weiber gelaufen, um gleichfalls beim Anblick des Porträts in sein infernalisches Freudengeheul einzustimmen. Guafeo hat vor 20 Jahren, aos Zintgraff, vereint mit dem Balis, eine Strafexpedition gegen ihn unternahm, vier Europäer getötet und dadurch dem Vordringen des mutigen Forschers ein Ende gesetzt. Andere Häuptlinge, die mich empfingen, trugen zusammenklappbare, sonnenblumenförmige Kopfbedeckungen aus Papageienfedern, andere wieder reich gestickte Mützen. Als Beinkleider trugen fast alle dort gewebte, große blaue Hüfttücher, die von Biberfellstreifen um die Hüften gehalten wurden. Die Beine wurden zur „großen Galauniform“ mit roter Lateriterde gefärbt. Die Weiber heben völlig unbekleidet; bei Freudenfesten beschmieren sie ihren ganzen Körper mit rotem Lehm oder mit feingeriebenem Rotholz. Die festlichen Empfänge, die mir von den verschiedensten Häuptlingen bereitet wurden, überboten sich gegenseitig an Großartigkeit und Farbenpracht. Meist begann es damit, daß mir 200-300 nackte Weiber entgegenliefen, die sich unter ständigem Schreien auf dem rundgezogenen Mund schlugen, wodurch schrille, jodelnde Schreie entstanden. Die andere Hand legten sie aufs Knie. So rasten sei in gebückter Stellung auf mich zu, drehten dicht vor mir um, liefen weg, um wieder zurückzukehren. Dann folgten Bläser, begleitet von Hunderten von Knaben in rhythmischen Tanzschritten mit tiefernsten Gesichtern, als gelte es eine große Staatsaktion. Endlich kam der Häuptling selbst in phantastischem Aufzug, herausgeputzt wie ein Pfau, umgeben von seinen Großen, um mich in feierlichem Zuge in seine Residenz zu begleiten. Vor dem Eingang zum Häuptlingsgehöft stellte er seine Lieblingsweiber und seine Familie vor. Theatralisch gruppierten sich sein Gefolge und seine ganzes Volk um mich herum, oft waren es mehr als 3000 Menschen.
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- 1912