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Skizzen aus der Landeshauptstadt. S.&H. Weimar, 9. Okt. […] Alfred Lüdke-Ausstellung. Strahlender Sommerhimmel und sattes Grün aller Töne, die Landschaft und Licht, Höhen und Tiefen, Abhänge und Wiesen, nahe Seeufer und verschwimmende Fernen aus dieser Farbe heraus holen können. Wolkenzug und Lichterspiel, die schwer und blaß, schleierhaft und leuchtend, siegreich und friedvoll, golden in der Höhe dahinziehen und in Erdnähe bläuliche und amethystfarbene Schatten weben. Gelber Weizen und das feine Gewimmel der Herbstzeitlosen in mattem Rosalila, Schnee und Sterne, Brandfarben des September und Oktober um Baum und Strauch, dunkeltote Stämme und durstig-verlassene Flußbetten, das Kirchlein mit rotem Dach, die trotzig getürmte Burg auf der Höhe und auf lichtem Wasser blank das Spiegelbild des einsamen Häuschens. – So schenkt und strömt die Kunst Alfred Lüdkes, der eben in Weimar ausstellt. Der Oberlichtsaal des Kunstgewerbemuseums umschließt in den achtunddreißig meist den oberbayerischen Bergen und Tälern abgelauschten Landschaften eine reiche malerische Gabe und einen überraschenden Einblick in die innere Welt des schaffenden Künstlers. Alfred Lüdke ist eine vorwiegend lyrische Natur, ihn entzündet, was die „glücklichen Augen“ sehen und trinken, und als Seelenerlebnis blüht der vielfarbige Strauß der Motive über die Leinwand hin. Eine zarte und mühsame Technik erinnert an die Leinwand hin. Eine zarte und mühsame Technik erinnert an die treue Arbeit alter deutscher Meister, die in rastloser Deutlichkeit und Ehrlichkeit des Erfassens es selbst der elementaren Macht der Luftperspektive verdachten, wenn sie die Festigkeit der Umrisse leise verwischte. Tief und rein sind die eingangs erwähnten starken Farben, besonders das „Blau wie ein jubelnder Schrei“. Und wie ein solcher in unserer Zeit der gemäßigten Umgangsformen zunächst wohl ein leichtes Staunen auslöst, so zweifelt das Auge da und dort einen Augenblick, aber dann labt es sich an der ungebrochenen Frische, die uns entgegenstrahlt, und von der die farbenlosen Reproduktionen in Kustblättern durchaus keinen genügenden Begriff geben können. Sie hat sich fraglos einen guten Teil des Publikums bereits sieghaft erobert; denn die weitaus größere Anzahl der Bilder ist laut Katalog in festen Händen, und die Preise der noch verfügbaren zeigen, wie der Künstler seine Gaben geschäftlich schätzen darf. – Alfred Lüdke bildet sich seine Gemeinde wie etwa Hans Thoma, mit dem er übrigens durch den symbolisch-nachdenklichen Zug seines Wesensgrundes eigentümlich verwandt ist. Religiösität und Romantik, Jakob Böhme, Mörike, Eichendorff umziehen und umspinnen den Betrachtenden, wenn er diesem Zuge des Künstlers nachgeht. Aber die einfach sachlich gehaltene, gleichsam erdentwachsene Darstellung, die einen und denselben landschaftlichen Aufbau mit liebender Anhänglichkeit umkreist, ihn in Sonnenschein und Trübe oder in leiser Verschiebung der Gesichtspunkte immer wieder fesselnd auf die Leinwand bringt, wie Lüdke z. B den Wilden Kaiser oder die Vorhügel mit dem rührenden Pestkirchlein – oder welche die Tragik der Elemente objektiv sprechen läßt wie in jenem verwüsteten Winterwald – die ist doch der Probierstein des Gestaltens, des Könnens, der unmittelbaren Wirkung. Sie wird uns Alfred Lüdke und seine Malerheimat durch diese Ausstellung unvergeßlich machen.
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- Skizzen aus der Landeshauptstadt
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- 1912