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2. Blatt
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Rodin über die Kunstkritik. Im Anschluß an einen Aufsatz von Ricciotto Canudo über die Kritik, ihren Wert und ihren Nutzen, hat sich jüngst eine Erörterung über diese unerschöpfliche Frage entsponnen. Dabei ist auch Rodin um seine Meinung befragt worden und hat sich in einem der Kunstkritik recht wohlwollenden Sinne ausgesprochen: „Die Kritik?“ Unser Zeitalter“, so erklärte er, „ist ein Zeitalter der Verwirrung; wir leben im Unbestimmten und Ungefähren. Darum ist die Kritik nützlich. Das Publikum kann von Kunstwerken, solchen der Literatur wie der Malerei, der Bildhauerei oder der Musik, nur verworrene und zu schnelle Ideen haben. Die Kritik muß der Aufklärung dienen. Schriftsteller und Richter dürfen darum, um ihre Aufgabe recht zu erfüllen, nicht erfinden; sie dürfen nur festellen und darlegen. Ich bin gegen die Gründung einer Schule zur Vorbereitung künftiger Kritiker. Ein Kritiker wird geboren. Nur sind die zu jugendlichen Kritiker schädlich; denn zur natürlichen Befähigung muß sich die Erfahrung gesellen. Erst gegen die Dreißig sind die jungen Leute wirklich zur Kritik vorbereitet. Vorher sind sie Kinder.“ Rodin schloß mit den Worten: „Der Kritiker hat eine sozusagen göttliche Rolle. Wissen, Verstehen, und frei sein, sind das nicht himmlische Wesen? Der Kritiker ist ein Gott, der verstanden hat.“
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- Kunst und Wissenschaft
- Rubriken Kunst
- 1912