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- Jenaische Zeitung :...
- 239. Jahrgang
- Juli
- Nr. 175 : Sonntag, ...
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2. Blatt
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Ausstellung für Studentenkunst. Gegenüber dem Gedanken, den künstlerischen Geschmack der Studenten inbezug auf solche Gegenstände zu heben, welche ausschließlich im studentischen Leben Verwendung finden, habe ich mich lange ablehnend verhalten. In erster Linie schienen mir die Jahre des studentischen Lebens und dieses selbst gerade bei einer kräftigen, gesunden und natürlichen Entwicklung nicht geeignet für eine ästhetische Verfeinerung. Auch habe ich ohnehin schwere Bedenken gegen alles, was in heutiger Zeit auf Verbesserung des Geschmacks hinzielt. Das kann hier nicht ausführlich begründet werden, eine Andeutung findet man in meiner Schrift über die Wandbilder unserer Universität. Jedenfalls halte ich jede Einwirkung auf den Geschmack von außen her für verfehlt, und die studentischen Dinge schienen mir so sehr mit dem studentischen Leben verwachsen zu sein, daß eine Aenderung nicht von außen herangetragen werden dürfte, sondern nur als Folge einer inneren Erneuerung eben dieses Lebens berechtigt sein konnte. Das Letztere scheint sich nun aber vorzubereiten, und ein Preisausschreiben, welches von Studenten ausgeht, und bei dem für die Beurteilung der eingelieferten Arbeiten Studenten mitwirken, bietet die Gewähr, daß nichts fremdes dem studentischen Leben aufgezwungen werden kann. Schließlich kann auch auf diesem Wege den Firmen, die ihre Schleuderware auf den Markt bringen und den Geschmack der Studenten noch mehr als nötig verderben, entgegengearbeitet werden. So habe ich denn mit Freuden das mir angetragene Amt des Preisrichters übernommen und dabei feststellen können, wie gute Früchte bereits dieser erste Versuch gebracht hat. Die Schüler der Kunstgewerbeschule in Weimar haben sich in überraschend guter Weise in das Wesen des Studentischen hineingefunden, haben eine Reihe guter Einfälle gehabt, und was man ganz besonders hervorheben muß, ihre Arbeiten sind untereinander sehr verschieden. Man sieht also, daß Henry van de Velde seine Schüler nicht dahin beeinflußt, daß sie seine Kunst nachahmen, sondern daß er der Entfaltung ihrer eigenen Kräfte den freiesten Spielraum läßt. Daß das Wesen des Studentischen weder in gewissen überkommenen Schnörkeln, noch auch nur in gewissen gegenständlichen Symbolen, sondern in einer bestimmten inneren Haltung liegt, zeigen deutlich die verschiedenen Arbeiten, sowohl die, welche den studentischen Geist zeigen, als auch die, denen er fehlt. Es sind auch einige der letzteren Art prämiiert worden, wenn sie sonst gute Eigenschaften haben. Durch diese Art, studentisches Empfinden rein symbolisch, nicht begrifflich-allegorisch auszudrücken, werden die ausgestellten Dinge abgesehen von ihrem nächsten Zweck auch allgemein belehrend für das Wesen des künstlerischen Ausdruckes. Denn dies war merkwürdig: wohl konnte bei der Beurteilung der Arbeiten das rein künstlerische, das heißt also der „Geschmack“ im Ornamentalen, verschieden beurteilt werden, darüber aber, ob eine Arbeit dem studentischen Empfinden entsprach, erhob sich kaum je eine Diskussion. Als der erfolgreichste hat sich Nehrling herausgestellt, er ist auch der vielseitigste: er macht vorzügliche, ganz einfache Schrift, erfindet gute Ornamente, und weiß auch mit Farben umzugehen. Sehr gut ist das Diplom von Schoder, wenn auch stark an van de Velde angelehnt, so doch vorzüglich in der Strenge der Zeichnung und der rhythmischen Verteilung. Gute Arbeiten hat auch Braune geliefert, und Lomnitz, der ein besonders originelles Diplom für alte Herren entworfen hat, vielleicht ein wenig unstudentisch. Auch Lohde, Brandt, Paris und Voigt haben sich ausgezeichnet. Bei dem großen Alte-Herren-Brief des letzteren sind vielleicht oben einige überflüssige Voluten, in ganzen ist er aber sehr gut gelungen. Ungewöhnlich gut ist das Alte-Herren-Diplom von Schoenenberg mit einem Ornament, das den ganzen Schriftsatz trägt. Derselbe hat auch ganz hübsche Buchtitel entworfen. Auch der Entwurf für Satzungen von Brueg zeigt eine organische Verbindung von Schrift mit dem Ornament, das sie trägt. Auch die Damen haben sich mit Erfolg beteiligt. Wenn auch naturgemäß das eigentlich Studentische in ihren Arbeiten weniger herauskommt, so zeigen sie doch gute Fähigkeiten für ornamentale Entwürfe. Das gilt von Fräulein Goldschmidt, von Frl. Lange, die einen guten Buchtitel mit bewegten ineinander sich fügenden Formen machte, und Frl. Veit, deren Fantasie zwar am weitesten vom Studentischen abweicht, aber besonders originelle Gebilde schafft, und die auch für die Gestaltung der Schrift bemerkenswerte Begabung besitzt. Am wenigsten Gutes ist für „ex libris“ geleistet worden, das wird den nicht Wunder nehmen, der die ungeheuren Schwierigkeiten gerade dieses Gebietes kennt, welches daher, wie man weiß, und wie so oft gerade die schwierigsten Dinge ein besonders beliebter Tummelplatz für unfähige Dilettanten ist. Der Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten sind eine Reihe anderer guter Dinge angegliedert. Voran stehen die wundervollen Buchbinderarbeiten der Kunstgewerbeschule, die in Technik und Geschmack mit ihren reichen handgedruckten vergoldeten Ornamenten, die aus zahlreichen Einzelformen zusammengesetzt sind, vorbildlich sind, und hoffentlich so wirken werden. Vortrefflich sind auch die Buchbindereien von Angelica Brandis inbezug auf Sauberkeit und Präzision der Arbeit und den guten, schlichten Geschmack. Sehr hübsch sind einige Töpfereien, die der Töpfer Schwarz in Jena ausgestellt hat. B. Graef.
- Rubriken Kunst
- 1912; 1912