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In der Berliner akademischen Hochschule für die bildende Kunst hat bei der Verteilung von Auszeichnungen für die Studierenden der Direktor der Hochschule Professor Anton v. Werner, wie auch in früheren Jahren, eine programmatische Rede gehalten, die sich diesmal gegen die modernsten Kunst und deren jüngste Schüler wandte. Direktor v. Werne, der seine ablehnende Haltung gegenüber den Tendenzen der „Jungen“ und „Jüngsten“ bewahrt hat, knüpfte diesmal an den 70. Geburtstag Paul Meyerheims an, der heute noch so wie vor 30 Jahren an der Hochschule wirke und dessen Kunst von den Neueren als „Novellenmalerei“ verpönt würde. Werner meinte, die Meisterwerke Terborchs und Vermeers gäben ganze Themen zu „Novellen“; und jedes Stück in einer Landschaft erzählte so viel, daß wohl jeder diese Sprache versteht und ihre Offenbarungen im Bilde festzuhalten versucht. Auch Licht, Luft und Sonnenschein und die zitternden Luftreflexe, die die „Modernen“ entdeckt zu haben glauben, seien schon recht alte Bekannte, wie sich Werner aus seinem Pariser Aufenthalte in den sechziger Jahren erinnerte. Werner schilderte die Entfaltung der Meyerheimschen Kunst und stellte ihm die Dilettanten gegenüber, die heute aus unseren Ausstellungen Tummelfelder des schlimmsten Dilettantismus machen, der noch dazu unter der Flagge einer neuen kulturellen Errungenschaft segele. Die großen Künstler gäben stets sich selbst, ihr „heißes, zitterndes Herz“. – Werner nahm jene Künstler und Architekten aufs Korn, von denen verkündet würde, in welchem Morast wir aufgewachsen seien, und daß die Kunst keine Gelegenheit gefunden habe, sich seit Cheops und Ramses genügend zu entwickeln, sondern erst seit 15 Jahren eine Entwicklung durchgemacht habe. (!!) Er sprach von den grotesk „glotzenden“ Naturstimmungen, aus denen etwas Monumentales entstehen soll, und zerpflückte mit Randbemerkungen das neueste Programm des Futurismus. Am bequemsten wäre es, diese ganze Entwicklung humoristisch oder pathologisch zu nehmen, wenn einem nicht die Schamröte ins Gesicht steigen müßte über das, was heute als „Kunst“ bezeichnet würde. Heute sei es der Jugend schwer, sich in dem Wirrware von Phrasen über Kunst zurechtzufinden. In seiner und Meyerheims Jugend sei es besser gewesen, als noch nicht so viel ästhetiert wurde. Zum Schlusse forderte er seine Studierenden auf, ihre Kunst auf dem sicheren Fundament eindringlichen Naturstudiums und schöpferischer Tätigkeit aufzubauen wie Meyerheim.
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- 1912