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- Jenaische Zeitung :...
- 239. Jahrgang
- März
- Nr. 68 Donnerstag, ...
- [Hans Thoma]
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2. Blatt
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Hans Thoma im Parlament. (Bemerkungen des Meisters über Kunst und Kunstpflege.) In der Ersten badischen Kammer, dem Haus der „durchlauchtigsten, hochgeehrtesten Herren“, wie die altehrwürdige Formel lautet, sitzt, wie man weiß, auch Professor Hans Thoma, der Maler. Manchmal greift er zum Wort, äußerlich schüchtern, mit der Miene, die etwa zu deuten ist: „Verzeiht, ich bin zwar kein Redner, aber ich habe etwas zu sagen.“ In diesem guten Bewußtsein spricht er, ersichtlich nicht ungern, mit dem Subjektivismus, der das Recht des Künstlers ist, anfechtbar gewiß in manchem, darum nicht minder anregend. So äußerte sich der Meister, wie die „Frk. Ztg.“ Berichtet, auch über Mittel und Wege, wie dem Volke die Kunst nahezubringen sei: „Es wird jetzt zur Kenntnis über die Kunst durch gute Reproduktionen sehr viel getan, und der Unterricht über Kunst muß sich in der Schule wohl sehr um das Wissen über die Kunst drehen. Kunsthistorie und Kunstwissenschaft mit ihrer Uebersichtlichkeit beherrschen das Feld. Das ist ja sehr schön, der Kunstfreund kann sich aber doch noch eine andere Art der Kunstpflege denken. Es ist dies eine innige, intime Freude am Kunstwerk an sich, losgelöst von Zeit und Entstehungsbedingungen. Ich kann mich in dieser kurzen Rede wohl nicht klar ausdrücken, wie ich das meine, und im Zusammenhang damit gehe ich zu folgendem über: Vor vielen Jahren ging von der Hamburger Lehrerschaft eine Anregung aus, daß man die Schulwände mit Bildern schmücken solle. Auch ich wurde gefragt, und habe dem Plan freudig beigestimmt; denn ich weiß, daß Kinder kunsthungrig sind. Um nun auch eine Anregung zu geben, wie dies etwa zu machen wäre, schwebte es mir als wünschenswert vor, daß man an die Wände der Schulen von Hand gefertigte Originalarbeiten anbringen sollte. Denn diese würden mehr sagen, als die mechanischen Reproduktionen nach noch so berühmten Bildern. Ein einfaches Malwerk, es braucht nicht hohen Ranges zu sein, könnte den Schülern über das Hervorbringen eines Werkes doch etwas sagen, was ihnen die mechanische Reproduktion nie sagt. Sie würden die Möglichkeit, selber etwas hervorbringen zu können, vor sich sehen, und es könnte manche Anregung daraus hervorgehen. Ich dachte nun – ob die Durchführung möglich ist, weiß ich nicht -, daß jeder Kunstschüler, der ein Staatsstipendium erhält, in milder Form, so etwa ehrenpünktlich angehalten werden könnte, in die Schule, in das Rathaus, in die Kirche seiner Heimat, irgend ein Werk seiner Hand zu stiften so gut er es eben kann, mit seinem besten Willen. Es kann eine Skizze sein, ein Stilleben, ein Tier, ein Kopf, in der Schule hätten die Kinder gewiß ihre Freude daran, man dürfte auch keine schwere Kritik an diesen Arbeiten auslassen. In der Kirche könnte auch eine Kopie nach einem guten Bilde ein Plätzchen finden. Man dürfte auch nicht ängstlich sein, das Ding wieder zu entfernen, wenn es durch bessere Arbeit eines anderen ersetzt wird. Man müßte die Sache ganz harmlos nehmen, und ich denke, die meisten Stipendiaten würden sich freuen in dem Gefühl, etwas dagegen leisten zu dürfen. Mir schwebt dabei vor, als ob durch solche Anregungen wieder etwas in die verlorene Bauernkunst, deren Reste man in Bayern und in Baden noch mühsam zusammensucht auf alten Schränken und Truhen, wieder erweckt werden könnte.“
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- 1912